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Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition)

Titel: Die Geheimnisse des Brückenorakels: Himmelsauge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fairchild
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strömte hindurch. Auf halbem Weg machte der schwache Lichtstrahl einen Knick nach links, als sei er einmal gefaltet und nie wieder geradegebogen worden.
    Das ist sicher die Schnittstelle, dachte Avi und streckte ehrfürchtig die Hand aus. Aber Brucie zog sie zurück.
    »Spiel nicht mit den Dimensionen!«, warnte sie ihn.
    Ein Gesicht erschien in dem erleuchteten Quadrat, so nah und doch eine ganze Welt entfernt.
    »Roosevelt!«, rief Avi.
    Doch es war nicht der Wächter, sondern der Kundschafter, der Avi das Leben gerettet hatte. Seine Lippen bewegten sich, aber Avi konnte ihn nicht hören. Außerdem verschwamm sein Gesicht, als betrachte Avi ihn unter Wasser. Er wirkte besorgt.
    »Wer bist du?«, fragte Avi.
    Der Kundschafter reckte die Arme durch die Falltür und fuhr fort, lautlos etwas zu schreien. Wieder bemerkte Avi das Medaillon, das er an einer Kette um den Hals trug. Es bestand aus Gold und war mit einer einzigen Perle in der Mitte verziert. Die Perle hatte einen grünen Einschluss, der aussah wie ein Auge. Endlich begriff Avi, dass der Kundschafter ihnen folgen wollte.
    »Runter!«, befahl Brucie. »Die Brücke schließt sich.«
    Die Wellen wurden stärker. Plötzlich legte sich eine Hand auf die Schulter des Kundschafters, um ihn in die Welt der Sterblichen zurückzuziehen. Doch sie bekam nur die Halskette zu fassen. Der Kundschafter hing immer noch in der Öffnung. Sein Mund bewegte sich wie bei einem Ertrinkenden, dann verdunkelte sich das beleuchtete Viereck, als hätte jemand eine behandschuhte Hand darüber gebreitet. Das Gesicht des Kundschafters schrumpfte auf Stecknadelgröße und verschwand.
    Es wurde finster.
    »Verloren«, verkündete Brucie. Ihre Stimme hallte in der Stille wider.
    »Was?«
    »Er hätte nicht versuchen sollen, uns nachzukommen. Nun ist er verloren.«
    »Verloren? Wo?«
    » Déopnes. Die Welt zwischen den Welten. Für ihn gibt es kein Zurück mehr.«
    Avi betrachtete die geschlossene Falltür. »Was ist mit Roosevelt?«, fragte er. »Ist der auch verloren?«
    »Roosevelt ist zurückgeblieben«, entgegnete Brucie.
    »Ist er jetzt in Gefahr?«
    Brucie schwebte auf der Stelle. »Wenn man eines über Roosevelt sagen kann, dann, dass er sehr wohl in der Lage ist, auf sich selbst zu achten.«
    Etwas in ihrem Tonfall teilte Avi mit, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte. »Und wer war der Kundschafter?«
    »Das werden wir wohl nie erfahren«, antwortete Brucie. »Hauptsache, es ist wieder einer weniger von den Kerlen. Und jetzt los. Auf allen vieren. Folge mir.«
    »Wie soll ich dir folgen, wenn ich nicht einmal … Autsch!« Er hatte sich den Kopf an einem niedrigen Balken angestoßen. »Wo bist du?«
    »Hier drüben.«
    Im nächsten Moment ertönte ein Knirschen. Eine weitere Falltür öffnete sich und ließ gerade genug Licht ein, dass Avi etwas erkennen konnte. Sie befanden sich in einem Keller. Im Stroh standen Holzkisten voller bunter Kostüme und verschiedener Waffen: Schwerter, Schilde, Morgensterne, Speere und Bogen. Als er ein Schwert zur Hand nahm, bemerkte er, dass es ungewöhnlich leicht war – es bestand aus Holz.
    »Ist das hier auch ein Theater?«, erkundigte er sich, nachdem er Brucie eingeholt hatte.
    »Natürlich.«
    Avi blickte sich um. Seine Nerven waren angespannt, und sein Körper fühlte sich an wie auseinandergenommen und falsch wieder zusammengesetzt. Außerdem hatte er Kopfschmerzen. »Warum hat die Brücke sich geschlossen? Es war doch gerade erst dunkel geworden. Ich dachte, sie würde bis Mitternacht geöffnet bleiben.«
    »Die Brücken sind alt, Avi. Sie halten sich an die Sonne, nicht an die Uhr. Und selbst dann sind sie unberechenbar und gefährlich.«
    »Warum hast du dir dann die Mühe gemacht, sie zu benutzen? Du hast doch gesagt, Elfen könnten nach Belieben hin und her wechseln.«
    »Richtig. Hast du schon mal von Vorkostern gehört?«
    Avi sah sie erstaunt an. »Was?«
    »Dienstboten, die sich vergewissern, dass das Essen für den König nicht vergiftet ist?«
    »Oh, ich verstehe«, erwiderte Avi. »Brucie, was ist wirklich aus Roosevelt geworden?«
    Brucie rümpfte die Nase. »Er ist ein Wächter. Denen kann man nicht trauen.«
    »Bis jetzt bin ich immer vom Gegenteil ausgegangen. Ich habe geglaubt, dass es genau ihre Aufgabe ist, vertrauenswürdig zu sein. Gut, Roosevelt war ein bisschen … exzentrisch. Aber er hat mich nie im Stich gelassen.«
    Brucie schwirrte wortlos vor ihm her. »Wir müssen weiter«, meinte sie. »Die Ratten

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