Die Geheimnisse des Nicholas Flamel - Die silberne Magierin: Band 6 (German Edition)

ein paar unerfreuliche Wahrheiten über uns erfahren. Aber vergiss nicht, dass das, was du erlebst – erinnerst – die Interpretationen der Hexe sind. Doch jede Medaille hat zwei Seiten.« Die Frau schloss die Augen und ein schwacher Zimtduft erfüllte den Raum. »Manchmal muss man nur etwas in die richtige Perspektive rücken.«
    Sophie schauderte, als immer neue Erinnerungen sie überfluteten.
    … Isis und Osiris in weißen Rüstungen an der Spitze einer Anpu-Armee. Sie reiten auf riesigen Echsen und verteidigen ein Dorf. Eine gewaltige Armee von Echsenmonstern will die Bewohner – kleine, bärenähnliche Menschen – versklaven.
    … Isis und Osiris, gekleidet im Stil des alten Ägypten. Sie beaufsichtigen lange Reihen lachender und singender Menschen, die eine Pyramide einreißen und die Steine ins Meer werfen.
    … Isis und Osiris stehen in weißen Kitteln und Mundschutz in einem blitzsauberen Labor und beobachten Wesen, die großen, unbehaarten Ratten gleichen und aus blubbernden Bottichen mit einer zähen rosafarbenen Flüssigkeit kriechen. Das Paar hilft allen Wesen vorsichtig heraus, wickelt sie in Silberfolie und trägt sie zu einem Bett. Über dem Bett geben schmale, rechteckige Fenster den Blick auf eine Wasserwelt frei, in der die rattenähnlichen Wesen herumschwimmen. In der Ferne sind schemenhaft die Umrisse einer gewaltigen weißen Stadt zu erkennen.
    Isis öffnet die Augen. »Nimm dir Zeit, geh deine Erinnerungen durch – Zephaniahs Erinnerungen – und prüfe, ob das, was ich dir sage, stimmt. An diesem Ort und in dieser Zeit haben die legendären Zwillinge nur wenige echte Freunde.«
    Gesichter, einige von Menschen, andere von Tieren und wieder andere in einem Übergangsstadium zwischen beiden, flackerten auf und Sophie wusste, dass sie ihre Feinde sah und Isis die Wahrheit gesagt hatte.
    »Danu Talis wird von den Älteren und den Abkömmlingen der Großen Älteren regiert. Am Hof sind mächtige Gruppierungen, die euch nur zu gern umbringen oder zu ihrem Werkzeug machen würden.« Isis legte die Hände um Sophies Gesicht.
    Sophie versuchte zurückzuweichen, doch die Frau hielt sie zu fest.
    »Alles, was wir getan haben, geschah zu eurem Schutz.« Isis beugte sich rasch vor und wollte Sophie auf die Stirn küssen, doch die bog im letzten Moment den Kopf zurück und umarmte sie stattdessen. Der trockene Zimtduft wurde intensiver und kratzte Sophie im Hals. »Zieh dich an und komm dann zum Essen. Dein Vater und ich werden alle eure Fragen beantworten. Versprochen.«
    »Alle unsere Fragen?«
    »Alle. Die Zeit der Geheimnisse ist vorbei.«

KAPITEL ZWANZIG
    D ieser Tunnel läuft unter dem Gefängnishof durch «, erklärte der Geist von Juan Manuel de Ayala. » Er trifft auf einen weiteren Tunnel, der zum Wasserturm führt. Über eine Treppe gelangt ihr nach oben. «
    Eine von Niccolò Machiavelli erzeugte, kleine rotierende Kugel aus weißer Energie erleuchtete den niedrigen, schmalen Tunnel und erfüllte ihn mit modrigem Schlangengeruch. Die fleckigen Wände waren mit einer dicken, klebrigen Schleimschicht überzogen und von der Decke tropfte ununterbrochen Wasser.
    »Mann, das Wasser ruiniert mir meine Stiefel!« Billys Stimme kam als Echo von den Wänden zurück.
    Machiavelli drehte sich um und blickte ihn vorwurfsvoll an.
    »Was schaust du so? Es sind meine Lieblingsstiefel.«
    Machiavelli schüttelte genervt den Kopf. »Sieh zu, dass du nachkommst«, sagte er leise.
    Billy the Kid zupfte ihn am Ärmel. »Wir folgen einem Geist durch einen Tunnel unter einem Gefängnis. Woher willst du wissen, dass wir ihm überhaupt trauen können? Es könnte auch eine Falle sein.«
    »Wirst du jetzt langsam paranoid oder was?« Machiavelli schaute den unsterblichen Amerikaner von der Seite an. Grünes Wasser spritzte ihm ins Gesicht und lief wie smaragdfarbene Tränen über seine Wangen.
    Billy blinzelte. »Paranoid. Lass mich kurz nachdenken. Wir sind die beiden einzigen menschlichen Wesen auf einer Insel voller Ungeheuer und Angehörigen des Älteren Geschlechts. Ja doch, ein bisschen paranoid komme ich mir schon vor. Hast du je Star Trek gesehen?«, fragte er unvermittelt. »Die Originalversion?«
    Machiavelli legte den Kopf schräg. »Sehe ich so aus, als würde ich mir Star Trek anschauen?«
    »Schwer zu sagen. Du würdest nie drauf kommen, aber Black Hawk ist überzeugter Trekkie. Er hat die Uniform und alles.«
    »Billy, ich war Leiter einer der besten Geheimdienstorganisationen der Welt. Ich hatte