Die geheimnißvolle Insel
Meere in Verbindung stand, und sagte ihnen jetzt, daß er denselben genau untersucht habe, ohne etwas Verdächtiges finden zu können. Zuletzt führte dieses Gespräch endlich den Beschluß herbei, eine gemeinsame Untersuchung der ganzen Insel vorzunehmen, sobald die schöne Jahreszeit das gestatten würde.
Von jenem Tage ab quälte sich aber Pencroff mit allerlei Sorgen. Diese Insel, welche er so gern als persönliches Eigenthum betrachtete, schien ihm nicht mehr ganz und unbestritten zu gehören, sondern noch einen anderen Herrn zu haben, dem er sich, er mochte nun wollen oder nicht, unterthan fühlte. Nab und er sprachen jetzt häufig von diesen unerklärlichen Dingen, und Beide, von Natur etwas zum Wunderbaren hinneigend, waren nahe daran, zu glauben, daß die Insel Lincoln unter der Herrschaft einer übernatürlichen Macht stehe.
Mit dem Monat April singen nun die schlechten Tage wieder an. Der Winter schien frühzeitig einzutreten und rauh zu werden. Ohne Verzug wurden die nöthigen Arbeiten zur Ueberwinterung in Angriff genommen.
Uebrigens waren die Colonisten vollständig ausgerüstet, den Winter, und wenn er noch so hart würde, auszuhalten. Kleidungsstücke und Filz fehlten ja nicht, und die sehr zahlreichen Mufflons hatten einen weiteren Ueberfluß an Wolle zur Herstellung jenes warmen Stoffes geliefert.
Selbstverständlich hatte man auch Ayrton mit der nöthigen schützenden Kleidung versorgt. Cyrus Smith bot ihm an, die schlechte Jahreszeit im Granithause zuzubringen, wo er mehr Schutz finden müsse, als bei der Hürde, und Ayrton versprach das anzunehmen, sobald die letzten Arbeiten an seinem Viehhofe beendigt seien. Mitte April war das der Fall. Von der Zeit ab theilte Ayrton das gemeinschaftliche Leben und suchte sich bei jeder Gelegenheit nützlich zu machen; doch nahm er, immer unterwürfig und traurig, niemals an den Vergnügungen seiner Gefährten Theil.
Während des größten Theils dieses dritten Winters, den die Colonisten auf Lincoln verlebten, blieben sie in dem Granithause. Furchtbare Unwetter und schreckliche Stürme wütheten in dieser Zeit, bei denen die Felsen bis zum Grunde zu erzittern schienen. Ungeheure Meereswogen drohten die Insel weit und breit zu überfluthen, und jedes an ihrer Küste ankernde Fahrzeug wäre zweifellos mit Mann und Maus untergegangen. Zweimal während dieser Stürme schwoll die Mercy zu einer solchen Höhe an, daß man ein Wegreißen der Brücken und Stege befürchten mußte; die kleine Brücke auf dem Strande machte sogar eine ganz besondere Befestigung nöthig, da sie nicht selten von dem empörten Meere vollständig überdeckt wurde.
Man begreift, daß derartige den Tromben ähnliche Windstöße, die mit Regenschauern und Schneegestöber einhergingen, auf dem Plateau der Freien Umschau manche Zerstörung anrichten mußten. Die Windmühle und der Hühnerhof hatten vorzüglich zu leiden, und oft konnten die Colonisten nicht umhin, wenigstens die dringlichsten Ausbesserungen vorzunehmen, wenn sie nicht die Existenz ihrer Anlagen in Frage stellen wollten.
Bei diesem entsetzlichen Wetter verirrten sich auch einige Jaguarpärchen und ganze Heerden Affen bis an die Grenze des Plateaus, und immer lag die Befürchtung nahe, daß die gewandtesten und kühnsten derselben, vom Hunger getrieben, wohl den Bach überschreiten könnten, der in seinem halbgefrorenen Zustande den Uebergang ohnedem erleichterte. Ohne fortwährende Ueberwachung wären die Anpflanzungen und Hausthiere gewiß dem Untergange verfallen gewesen, und nicht selten kamen die Feuerwaffen in Anwendung, um jene gefährlichen Besucher fern zu halten. An Arbeit fehlte es übrigens den Ueberwinternden nicht, denn abgesehen von dieser Sorge für außerhalb des Hauses, veranlaßte auch die Wohnung selbst vielerlei Beschäftigungen.
Bei starker Kälte wurden auch einige sehr erfolgreiche Jagden bei den Tadorne-Sümpfen unternommen. Gedeon Spilett und Harbert verschwendeten unter Mithilfe Jup’s und Top’s keinen Schuß bei diesen Tausenden von Enten, Becassinen, Kibitzen und anderen Vögeln. Das wildreiche Gebiet war ziemlich leicht zu erreichen, da man ebenso wohl nach Passirung der Mercy-Brücke auf dem Wege nach dem Ballonhafen dahin gelangte, als auch durch Umgehung der Felsen an der Seetriftspitze, und nie entfernten sich die Jäger mehr als zwei bis drei Meilen von dem Granithause.
So verflossen die vier eigentlichen Wintermonate, der Juni, Juli, August und September, meist bei strenger Kälte.
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