Die geheimnißvolle Insel
überall gesucht wurde; aber die Versuchungen der Welt gingen an ihm vorüber. Jung und schön, blieb er immer ernst, verschlossen, verzehrt von einer nie gestillten Lernbegierde und mit unversöhntem Haß im Herzen.
Der Prinz Dakkar haßte. Er haßte das Land, an das er nie den Fuß zu setzen gewünscht hatte, die Nation, deren Fortgeschrittensein er unablässig leugnete, er haßte England und desto mehr, je mehr er es in mancher Hinsicht bewunderte.
Dieser Indier vereinigte in sich den ganzen wilden Haß des Besiegten gegen den Sieger, der niemals Gnade vor ihm finden konnte. Als Sohn eines der Souveräne, welche sich das vereinigte Königreich immer nur dem Namen nach zu unterwerfen vermochte, wollte dieser Sprößling der Familie Tippo-Saïb’s, der, in der Idee der Wiedervergeltung und Rache erzogen, eine unauslöschliche Liebe zu seinem poetischen Vaterlande im Herzen trug, niemals den Fuß auf das von ihm verfluchte Land setzen, dem Indien seine Unterwerfung verdankte.
Prinz Dakkar ward ein Künstler, dem die Wunder der Kunst das ganze Herz erfüllten, ein Gelehrter, dem keine Wissenschaft fremd war, ein Staatsmann, gebildet an den Höfen Europas. In den Augen Derer, welche ihn oberflächlich betrachteten, konnte er für einen jener Kosmopoliten gelten, die begierig sind Alles zu wissen, aber es verachten, etwas zu thun; für einen jener reichbegüterten Reisenden, jener stolzen platonischen Charaktere, welche ohne Rast die ganze Welt durchfliegen und keinem Lande angehören.
Dem war aber nicht so. Dieser Künstler, dieser Gelehrte war Indier geblieben in seinem Herzen, Indier durch seinen Wunsch nach Rache, Indier durch die Hoffnung, welche er nährte, eines Tages die Rechte seines Landes wiederherzustellen, daraus den Fremdling zu vertreiben und ihm seine Unabhängigkeit wieder zu geben.
Im Jahre 1849 kam Prinz Dakkar nach Bundelkund zurück. Er verehelichte sich mit einer vornehmen Indierin, deren Herz, wie das seine, bei dem Unglücke des Vaterlandes blutete. Er hatte zwei Kinder, welche er zärtlich liebte. Ueber dem häuslichen Glücke vergaß er aber nie die Demüthigung Indiens. Er wartete auf eine Gelegenheit. Sie kam.
Zu schwer lag Englands Joch auf den indischen Völkern. Prinz Dakkar lieh den Unzufriedenen Worte. Er flößte ihren Herzen den ganzen Haß ein, der ihn gegen die Fremden erfüllte. Er durchzog nicht allein die noch unabhängigen Gebiete der indischen Halbinsel, sondern auch die, welche schon direct unter englischer Herrschaft standen. Er erinnerte an die großen Tage Tippo-Saibs, der bei Seringapatam den Heldentod für’s Vaterland gestorben war.
Im Jahr 1857 brach der große Aufstand der Sepoys aus. Der Prinz Dakkar wurde die Seele desselben. Er organisirte die ungeheure Erhebung und brachte seine Talente und seine Reichthümer dieser Sache zum Opfer. Er trat selbst mit seiner Person ein; er stand stets im ersten Treffen und wagte sein Leben wie der geringste dieser Helden, die sich erhoben hatten, ihr Vaterland zu befreien; zehnmal ward er bei zwanzig Gefechten verwundet und hatte doch den Tod nicht finden können, als die letzten Kämpfer für die Unabhängigkeit unter den englischen Kugeln fielen.
Niemals war die Herrschaft Englands über Indien in größerer Gefahr, und hätten die Sepoys, wie sie hofften, von auswärts Hilfe erhalten, so wäre es in Asien wahrscheinlich um den Einfluß und die Herrschaft des vereinigten Königreichs geschehen gewesen.
Der Name des Prinzen Dakkar lebte damals in Aller Munde. Der Held, der ihn trug, verbarg sich nicht und kämpfte mit offenem Visir. Auf seinen Kopf wurde ein Preis gesetzt, doch es fand sich kein Verräther, der ihn ausgeliefert hätte, und sein Vater, seine Mutter, sein Weib und seine Kinder zahlten mit ihrem Leben, bevor er noch von der Gefahr Kenntniß hatte, die ihnen um seinetwillen drohte …
Noch einmal unterlag das Recht der Gewalt; aber nie schreitet die Civilisation rückwärts, und es scheint, daß sie alle Rechte der Nothwendigkeit entlehnt. Die Sepoys wurden besiegt, und das Land der früheren Rajahs verfiel unter das noch strengere Regiment der Briten.
Prinz Dakkar, der nicht hatte sterben können, kehrte in die Berge Bundelkunds zurück. Dort, allein, erfaßt von Ekel gegen Alles, was sich Mensch nannte, Haß und Abscheu vor der civilisirten Welt im Herzen, wollte er sie für immer fliehen, sammelte die Reste seines Vermögens und etwa zwanzig der treuesten Anhänger um sich, und eines Tages waren Alle
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