Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)
Sie nicht länger auf die Folter spannen. Sie werden sich schon während der Fahrt hierher gefragt haben, was das alles soll.“
„So kann man es ausdrücken. Es gibt einige Möglichkeiten.“
„Die gibt es immer. Mit wem glauben Sie denn zu sprechen?“
Ich musterte ihn nochmals intensiv. „Sie arbeiten für die amerikanische Regierung. Ich tippe aufs Schatzamt.“
Er lachte. „Nicht schlecht. Sie enttäuschen mich nicht. Die meisten hätten jetzt von der CIA oder der NSA gefaselt. Aber wir arbeiten nicht für Regierungen, sondern wir machen sie.“
„Dafür, dass Sie ein Macher sind, sprechen Sie sehr viel im Plural.“ Er tippte sich kurz mit seinem rechten Zeigefinger gegen die Lippen. „Einer unter Gleichen, von denen jeder verschieden ist und die nur Einen über sich haben. Doch kommen wir nun zum Punkt.“
„Es handelt sich um meine Briefe und Warnungen.“
„Genau. Sie wissen mehr als sie wissen können, vom wissen dürfen will ich gar nicht erst sprechen. Wir haben Sie gründlich überprüft. Sie gehören keiner Partei an, keiner Organisation, mit Ausnahme eines Berliner Fußballvereins. Sie haben keine hochkarätigen Kontakte. Ihre Internetrecherchen sind umfangreich, aber auch keine Offenbarung. Alle Informationen, die Sie gesammelt haben, sind aus frei zugänglichen Quellen. Die Schlussfolgerungen mögen aus dem Material logisch ableitbar sein, nicht aber einige ihrer Angaben zu amerikanischen Großbanken. Nur fünfzehn bis höchstens zwanzig Eingeweihte haben Zugang zu den Zahlen, die sie angeben. Es muss eine undichte Stelle geben. Wenn ein Mitarbeiter der Regierung Informationen weitergeben würde, wäre dies Geheimnisverrat, aber bei den Staatsgehältern irgendwie menschlich und tolerierbar. Wenn aber ein Mann mit 30 Millionen Dollar Jahreseinkommen Dinge verrät, die Milliarden Dollar und politische Entwicklungen betreffen, dann ist dies eine ernste Angelegenheit und könnte Schule machen. Wie heißt es so treffend: Wehret den Anfängen! Kennen Sie den Ursprung dieser Weisheit?“
Ich nickte: „Cicero. Er meint die Anfänge politischen Unheils.“ Will lächelte. „Genau. Ich bin gerne in Deutschland, hier trifft man hin und wieder noch Leute, mit denen man eine gute, eine geistreiche Unterhaltung führen kann. Das Land der Dichter und Denker. Letzte Woche hatte ich ein Treffen mit Kongressabgeordneten aus Michigan. Sie werden es nicht für möglich halten, einer glaubte tatsächlich, Wien wäre die Hauptstadt Ihres Landes. Wohl gemerkt, genau der Abgeordnete, der für außenpolitische Fragen zuständig ist. Da kann man nur noch den Kopf schütteln und dankbar sein, dass solche Idioten nicht die wirkliche Macht besitzen. Nur wer zu den Bilderbergern gehört, darf das Wort Macht zumindest in den Mund nehmen.“
Er schaute mich gespannt an, sah mir direkt in die Augen. Vielleicht wollte er herauslesen, ob ich wüsste, wovon er sprach. Ich wusste es. Durch einen Zufall, ein Freund war erkrankt und hatte mich gebeten, seine Eintrittskarte zu nutzen. Es gab einen Live-Diskussionsabend von mehreren Politikern im Haus der Weltkulturen in Berlin. Einer der Gäste war der ehemalige Außenminister der USA, Henry Kissinger, der fast beiläufig erwähnte, dass das Berlin-Abkommen von den „Bilderbergern“ ausgearbeitet worden wäre.
Ich hatte den Namen bis dahin noch nicht einmal gehört, ich kam mir sehr unwissend und dumm vor. Aber nach der Diskussion unterhielt ich mich mit einigen Journalisten, die mir an Wissen keineswegs voraus waren. Noch am gleichen Abend, besser der gleichen Nacht, begann ich zu recherchieren. Es gab nicht viel an Informationen, ich begriff, warum mein Wissen zu diesem Gegenstand gegen null tendierte. Inzwischen war ich schlauer, aber nicht wirklich wissend. Jedes Jahr trafen sich einflussreiche Personen unterschiedlicher Nationen aus Politik und Wirtschaft an wechselnden Orten zu einer informellen Gesprächsrunde. Das erste Treffen fand bereits 1954 statt, in einem niederländischen Hotel namens „Bilderberg“. Damit war die Bezeichnung des Kreises geboren. Die regelmäßigen Treffen der „Bilderberger“ wurden von den Medien und damit auch von der Öffentlichkeit kaum beachtet, obwohl sogar amtierende Staatschefs wie Helmut Kohl und später Angela Merkel zu den geladenen Gästen zählten.
Dieser exklusive und in sich geschlossene Kreis der „Bilderberger“ mochte offenbar keine Publicity. Die wenigen Berichte von Journalisten über die ausgearbeiteten
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