Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Stimme hatte etwas vom Zischen einer Natter bekommen. „Haben Sie eigentlich unser heutiges Treffen vorausgesehen?“
    „Nein. Es ist keine kontrollierbare Fähigkeit und sie tritt auch nur sporadisch auf.“
    „Ist mir persönlich egal. Sie müssen damit leben. Aber wie gesagt nutzen Sie Ihre Fähigkeiten für andere Dinge als die große Politik.“
    „Ich habe auch noch eine Frage. Wenn Sie meine Angaben nicht anzweifeln, stimmen offenbar meine Voraussagen. Sie hätten doch die Möglichkeit, den Börsencrash zu verhindern oder zumindest erträglicher zu gestalten.“
    Er schaute völlig verwundert. „Warum sollten wir dies tun?“
    „Es geht um Milliarden Einbußen. Um zusammenbrechende Wirtschaftszweige, um den Verlust von Millionen Arbeitsplätzen. Um Instabilität, neue Unruheherde. Vielleicht sogar um den Verlust der exponierten Stellung der USA in der Weltpolitik.“
    „Ich bin beruhigt. Ihre Fähigkeiten scheinen doch alles andere als übermenschlichen Charakter zu besitzen. Ich versuche, es Ihnen anhand eines Beispiels zu erklären. Wie mir bekannt ist, weilten Sie am 24. August 1992 mit Ihrer Familie in Miami Beach. Sie haben also den Hurrikan Andrew miterlebt.“
    „Wir verließen kurz vor Eintreffen des Sturmes die Küstenregion. Wir waren von der direkten Küste etliche Kilometer entfernt, in einem Clubhaus untergebracht. Das
    Schlimmste ist uns erspart geblieben.“
    „Sie haben aber bei Ihrer Rückkehr und vor dem Abflug die Schäden gesehen?“
    „Allerdings, es war wie nach einem Bombenangriff. Gesamte Siedlungen waren dem Erdboden gleichgemacht. Tausende Palmen umgebrochen. Motor- und Segelboote lagen mitten auf dem Highway, Hunderte Meter von der Küste entfernt.“
    Will stimmte zu. „Die Schäden waren beträchtlich. Soweit ich mich erinnere, lagen sie bei ungefähr 40 Milliarden Dollar. Ein Jahr später weilten Sie, wie aus Ihrer Akte hervorgeht, erneut in Florida. Haben Sie noch eine zerstörte Infrastruktur vorgefunden?“ Ich schüttelte den Kopf. „Nein, der größte Teil der Schäden war beseitigt. Nur abgesägte Palmenstümpfe erinnerten uns an das Geschehen ein Jahr zuvor.“
    „So war es, ich hatte mein Hauptwohnsitz damals in Fort Lauderdale und habe die Aufbauarbeiten täglich verfolgen können. Wenn ich nicht gerade in der Weltgeschichte herumreisen musste. Ich will Ihnen Folgendes klarmachen: wenn ein Sturm dieser Größenordnung ein Land, sagen wir wie Nigeria oder Kenia, getroffen hätte, wären heute noch die Trümmer der Häuser vorhanden, die Bretter der Hütten zu Brennholz verarbeitet, ohne dass für Ersatz gesorgt worden wäre, die Wasser- und Stromleitungen wären nur notdürftig geflickt, die Leute ärmer denn je. Wenn man aber reich ist, wird man durch Katastrophen noch reicher. Katastrophen, Kriege und Krisen sind die Motoren der Geschichte. Es gab einen regelrechten Boom. Die Firmen bekamen Aufträge zum Brücken- und Straßenbau oder für notwendige Reparaturen. Der Konsum wurde angekurbelt. Über eine Million Fernseher sind vernichtet worden, unzählige Kühlschränke, Generatoren, Autos. All das musste ersetzt werden. Die Wirtschaftskraft Floridas stieg schneller als in den Jahren zuvor.“
    „Sie wollen mir also erklären, Sie würden aus dem Zusammenbruch des Finanzsystems gestärkt hervorgehen?“
    „Es wird natürlich auch große Verluste und Verlierer geben. Einige Millionen Arbeitslose und Hungerleider und Brückenschläfer mehr, die keinen wirklich interessieren. Und neue Spannungsherde, vor allem in Afrika. Aber insgesamt ist diese Krise, wie jede Krise, auch eine Chance, so manche Fehlentwicklung zu bereinigen. Die Karten werden neu gemischt. Auf finanztechnischem und wirtschaftlichem Gebiet, die Börsen werden in die Schranken gewiesen, die Banken, auf die es uns ankommt, werden sogar Gewinne machen, übrigens auch bei Ihnen in Deutschland. Und es wird Konjunkturprogramme geben, die veraltete Infrastruktur modernisiert und wichtige Bauvorhaben endlich durchgeführt, vor allem aber wird sich auf weltpolitischem Sektor einiges ändern.“
    Ich vergaß für einen Augenblick, unter welchen skurrilen Umständen ich diese Diskussion führte. Offenbar hatte ich es mit jemandem zu tun, der wusste, wovon er redete. „Macht“ ist in der Regel ein völlig abstrakter oder schwammiger Begriff. Bloße Theorie. Meist wird er in Verbindung mit bestimmten staatstragenden Personen verwendet. Diesen Mann, der mir gegenübersaß, kannte bestimmt keiner in der