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Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Titel: Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Tenner
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ermöglichte. Wenn ich eine Westberliner oder BRD-Polizeidienststelle anrufen würde, vorausgesetzt, ich bekäme von einer Telefonzelle aus überhaupt Anschluss, würde der Anruf sicher von den DDR-Behörden mitgeschnitten werden und die Anrufpartner würden aller Wahrscheinlichkeit nach an einen irregewordenen John-Lennon-Fan glauben. Auch der Postweg war schwierig, die Post, die in die BRD oder ins sogenannte kapitalistische Ausland geschickt wurde, ging sicher nicht unkontrolliert über die Förderbänder der Post. Eine offizielle Adresse in den USA würde die Kontrolleure sicher stutzig machen. Ich entschloss mich, drei Briefe zu schreiben. Der Erste war an die amerikanische Autogrammadresse John Lennons gerichtet, der Zweite an seine Plattenfirma und der Dritte an das FBI New York. Ich musste die Worte sehr gut wählen, damit der Lesende nicht sofort das Schreiben zusammenknüllte und in den Papierkorb beförderte. Zunächst versuchte ich klar zu machen, dass ich nicht geistesgestört sei und es sich auch um keinen dummen Scherz handeln würde. Ich hatte mir folgende Geschichte ausgedacht, um die Fakten halbwegs plausibel zu präsentieren. Ein Onkel von mir sei in Abständen immer wieder im Auftrag seines Außenhandelsbetriebes geschäftlich in den USA. Bei seiner letzten Reise hätte er in der Bar des Sheraton Centre Hotels einen Texaner getroffen, namens Mark David Chapmann, diesen Namen hätte er zumindest auf dessen Führerschein gelesen. Der Texaner, der aber eigener Aussage nach in Honolulu leben würde, hätte, nachdem er etliche Drinks zu sich genommen hatte, fürchterliche Drohungen gegen John Lennon ausgestoßen und gemeint, er würde diesen am Abend des 08. Dezember vor dem Dakota Building erschießen. Alles sei schon gut vorbereitet. Die Waffe wäre schon gekauft. Mein Onkel hätte dies nicht für bare Münze genommen, sondern für die bösartigen Fantastereien eines Betrunkenen gehalten. Im Nachhinein wären ihm aber Zweifel gekommen und er hätte sich geärgert, nicht die Behörden informiert zu haben. Aber als Besucher aus einem Ostblockstaat hätte er auch Berührungsängste gehabt, wollte sich nur ungern an amerikanische Dienststellen wenden, zumal er nach seiner Rückkehr in die DDR seiner Betriebsleitung darüber würde Bericht erstatten müssen. Ich, als einer von Millionen Verehrern des großen Musikers und Friedensaktivisten, John Lennon, bat den Empfänger, die Drohung doch als ernst einzustufen, und John Lennon zu warnen, am 08. Dezember sein Apartmenthaus zu betreten. Wenn es tatsächlich nur leere Drohungen gewesen sein sollten, um so besser. Der Wortlaut der ersten beiden Schreiben ähnelten sich, beim Schreiben an das FBI wurde ich etwas detaillierter und bat die Beamten, die genannte Person zu überprüfen, dann würde es sich ja herausstellen, ob es Vorbereitungen für ein Attentat gäbe. Um sicherzugehen, dass die Briefe auch ankommen würden, steckte ich sie nicht in einen x-beliebigen Briefkasten, sondern fragte meine Großmutter, ob sie bei ihrem nächsten Besuch bei ihrer Schwester oder bei Tante Martha im Westteil Berlins, an der Spandauer Post nicht einige für mich wichtige Briefe aufgeben könne. Sie wunderte sich zwar etwas, aber nickte doch zustimmend. Zwei Wochen später versicherte sie mir, sie hätte die Briefe wie versprochen auf einem Westberliner Postamt aufgegeben. Jetzt konnte ich nichts mehr tun, als zu warten. Am 08. Dezember schlug mein Herz schneller als gewöhnlich, ich wartete auf die Nachrichten, in den frühen Morgenstunden des 9. Dezember hatte ich dann die traurige Gewissheit: Alles war umsonst gewesen. Gegen 23.00 Uhr sei John Lennon nach einem Attentat im Hospital seinen Verletzungen erlegen. Ich war zwar nicht das erste Mal nach meiner Rückkehr in die Vergangenheit in depressiver Stimmung, aber diesmal fühlte ich mich am Boden zerstört, ein Gefühl ergriff mich, wie ich sie in dieser Intensität noch nie gespürt hatte. Meine Frau war auch entsetzt, sie war kein Beatles-Fan und John Lennon war ihr sicher nicht ans Herz gewachsen, aber dieses schreckliche Ende erschütterte sie doch, zumal sie wusste, welche emotionale Bindung ich zu dieser Musik und ihren Repräsentanten hatte. Sie drückte mich und nahm mich in die Arme. Das tat gut, auch beim zweiten Mal. Nur dieses Mal ging die Erschütterung viel tiefer, die Gründe dafür konnte oder wollte ich Monique nicht erläutern.
    War ich in einem Albtraum gelandet? Was nützte all mein Wissen, wenn ich

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