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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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sie behutsam zu und schob sie zurück.
    Dann ging er zum Fenster, blickte in den dunklen Garten hinter den Häusern, bückte sich und hob ein viereckiges Stück der Dielenbretter hoch. In der Vertiefung darunter stand ein bauchiger Krug, in den er die restlichen Münzen hineinfallen ließ. Er verschloss das Versteck wieder, blies die Kerzen aus und streckte sich auf dem Lager aus. Tagsüber hatten mitleidige Seelen ihm so viel Essen gebracht, dass er weder Hunger noch Durst verspürte und zufrieden einschlief.
    Am Morgen wusch er sich gründlich, erneuerte die klebenden Stellen in seinem Gesicht und auf der Brust und presste den Stoff mit äußerster Sorgfalt darauf. Mit ölgetränkten Läppchen, einem Pinsel und verschiedenen Farben stellte er seine erschreckende Verkleidung wieder her. Als er den Burnus aufhob und mit der rechten Schulter hineinschlüpfen wollte, hörte er aus den oberen Stockwerken ein verräterisches Klirren.
    Jemand kam die Treppe heruntergerannt. Yusuf sprang auf, griff nach etwas, womit er sich wehren konnte, aber da waren sie schon über ihm.
    Es waren zwei Männer, die schnell, effektiv und rücksichtslos vorgingen. Einer stülpte Yusuf einen Leinensack über seinen Kopf, dann erhielt dieser noch einen kräftigen Schlag gegen die Schläfe, sodass er zu taumeln anfing. Mit dem kleinen Messer, mit dem Yusuf wild um sich hieb, traf er einen der Angreifer. Doch ein zweiter Hieb in den Nacken nahm ihm endgültig das Bewusstsein. Er brach neben dem Tisch zusammen und riss alles, was darauf stand, mit sich zu Boden.
    Als Yusuf später wieder zu sich kam, zog und zerrte er an dem Sack, bis er sich befreit hatte. Sein Schädel dröhnte und schmerzte. Er zog sich am Tisch in die Höhe, taumelte zur Tür und zog die Vorhänge auseinander. Das grelle Sonnenlicht ließ ihn blinzeln. Er stöhnte und sah sich um.
    Dann zwang er sich, zum Eingang zu tappen und an den Riegeln zu rütteln. Die Tür war nicht angerührt worden. Also waren die Eindringlinge durch das Fenster im obersten Stockwerk eingestiegen. Als er die Stufen hinaufstieg, wusste er bereits, was ihn dort erwartete.
    »Allah ist unbarmherzig!«, stöhnte er.
    Die Decken seines Lagers waren zur Seite gerissen worden. Das Fenster stand weit offen. Die Nische unter dem Kopfende der gemauerten Bank war leer, seine Truhe lag umgestürzt auf dem Boden. Er ging zum Fenster und blickte hinaus: keine Leiter, kein Seil. Er bückte sich, obwohl ihm schwindelte. Als er die Dielen des Verstecks hochklappte, sah er den Krug. Seine Hand fuhr hinein und fühlte die Münzen.
    »Allahu akbar!« Die Finger wühlten in den Münzen. Die Diebe hatten sein großes Vermögen gestohlen und ihm das kleine gelassen. Er verschloss die Klappe, blieb auf dem Boden sitzen und umfasste die Knie mit den Unterarmen.
    Zweieinhalb Jahre, in denen er fast jeden Tag in der stinkenden Verkleidung gebettelt hatte, waren vergeblich gewesen. Er musste wieder von vorne anfangen.
    Wie hatten die Eindringlinge von seinem Schatz erfahren? Jetzt wussten sie auch, dass er zwei Arme hatte. Wer waren die Diebe? Wie lange hatten sie ihn schon beobachtet?
    »Oh, Al Quds! Du hast mir kein Glück gebracht«, seufzte er und hielt mit beiden Händen seinen schmerzenden Kopf.
     
    Es freute ihn, dass Mara und ihre junge Helferin, die Jüdin Rebecca, seinen einfachen Liedchen mit Vergnügen lauschten. Sean saß in der Sonne, lernte Arabisch und spielte zwischendurch auf seinem Schwögel, der kleinen Flöte mit den drei Grifflöchern.
    »Spiel noch einmal, Sean!«, bat Mara ihn mit einem Ruf aus Joshuas Zimmer.
    Sean blickte auf und antwortete lächelnd: »Mir fällt im Moment kein fröhliches Liedchen mehr ein, Mara. Vielleicht später. Oder morgen.«
    »Ach nein. Alles, was du spielst, ist schön.«
    Sean zuckte mit den Schultern und las arabische Wörter von einem Blatt ab, das ihm Uthman gegeben hatte. Der Sarazene, der in Cordoba studiert und vieles gelernt hatte, schrieb für Sean die Begriffe und Wörter in lateinischen Buchstaben. Sean las und wiederholte einige Redewendungen, dann hob er wieder den Schwögel an die Lippen und spielte ein Lied, das er irgendwann einmal gehört und fast wieder vergessen hatte. Er wartete darauf, dass Joshua, Henri und Uthman zurückkämen, und er war sehr gespannt auf den nächsten Besuch Suleimans.
    Suleiman ist der hoffnungsvolle Sohn eines recht geheimnisvollen Vaters, über den Suleiman nicht viel spricht, dachte Sean. Er ist der Liebhaber einer bislang

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