Die Gehilfen des Terrors
vollendeter Künstler). Leiden Sie auch
unter dem Lärm?“
„Ja. Es ist schrecklich.“
„Dagegen muss man was tun.“
Das Lächeln der Frau war so
mutlos, dass Tim für einen Moment erstaunt darüber war — was alles ein Lächeln ausdrücken
kann, außer Freude.
„Diese nächtliche Ruhestörung“,
sagte sie, „ist beabsichtigt.“ Die beiden kamen die Treppe herab. „Regnet es
noch? Nein? Wir haben nur einen kurzen Weg. Zum Supermarkt. Aber vielleicht
sollte ich doch lieber den Schirm mitnehmen.“
Gaby hielt das für
empfehlenswert und strich Anne über den Kopf, was ein strahlendes Lächeln
auslöste. Tim stellte sich und seine Freunde vor, ohne zu erklären, weshalb sie
hier waren. Die Frau hieß Claudia Rödelhoff, ihre Tochter Anne-Marie. Sie war
fünf, Claudia Lehrerin an einer Behindertenschule, arbeitete aber nur drei Tage
in der Woche, um — wie sie sagte — mehr Zeit für ihr Kind zu haben. Einen Vater
gab es offenbar nicht — jedenfalls nicht in der Nähe.
Claudia wohnte im vierten Stock
und stieg jetzt mit TKKG hinauf, um ihren Schirm zu holen.
Anne gab sich altklug und
zwitscherte: „Mami vergisst immer alles, auch den Schlüüüüssel.“
„Den habe ich mit“, lachte
Claudia.
„Wir wollen zu Wilhelm
Nahgast“, erklärte Tim. „Welche Etage ist das?“
Nahgast wohnte in der zweiten.
Also trennten sich die Wege. Claudia und Anne-Marie stiegen weiter hinauf, TKKG
sohlten in den Flur, waren aber schon bei der ersten Wohnung richtig. Dort war
ein Adressen-Aufkleber — wie man ihn eigentlich für Briefe benutzt — an die Tür
platziert: Wilhelm Nahgast, Poseidon-Park 1/II...
Die Wohnungstür war wuchtig und
dunkelbraun, außerdem abgenutzt wie ein vergessenes Handtuch auf der
Bahnhofstoilette.
Tim wollte klingeln. Im selben
Moment hörte er einen wehen, halb unterdrückten Laut von weiter oben im
Treppenhaus. Zweifellos erschrak Claudia Rödelhoff abermals.
Auch Gaby, Karl und Klößchen
spitzten die Ohren.
„Das war sie“, meinte Gaby. „Es
klang nicht gut.“
Wie wahr!, dachte Tim und eilte
bereits die Treppe hinauf. Seine Freunde folgten.
Zwei Biegungen, bzw.
Treppenabsätze — dann sah er die Szene: Mutter und Tochter hatten ihre Etage
noch nicht ganz erreicht. Drei Stufen noch. Aber die brauchte Claudia offenbar
als Schutzzone zwischen sich und den beiden Typen.
Die standen oben am
Treppenende: Ein Vierschrötiger mit Lederweste und Mütze und ein Kerl, der den
andern um einen Kopf überragte und ein Brutal-Gesicht hatte wie der Weltmeister
im Preis-Ringen ohne Regeln. Er stützte eine Hand auf den oberen Antrittspfosten
der Treppe. Beide standen so nebeneinander, dass sie Claudia und Anne den Weg
versperrten. Schluchzend klammerte sich das Mädchen an die Mutter.
Tim federte hinauf und stellte
sich neben Claudia.
„Sind das die Musikanten?“
„Nein.“ Ihre Stimme zitterte etwas.
„Die gehören zu... zu...“
„Wir sind von der
Hausverwaltung“, knarzte der Vierschrötige — mit einer Stimme wie eine alte
Klosettspülung. „Wir sind eingesetzt, damit hier endlich mal Ordnung herrscht.
Klar? Das Haus ist voll gestopft mit illegalen Mietern. Allen wurde gekündigt.
Aber sie hocken hier als gehörten die Wohnungen ihnen.“
„Die Vereinigung der Mieter“,
sagte Claudia mit unsicherer Stimme, „wehrt sich mit rechtlichen Mitteln. Wir
haben einen Rechtsanwalt. Das Gericht hat noch nichts entschieden.“
„Kacke!“, sagte der Ringer-Typ.
Er war offenbar Kettenraucher und schon das eine Wort war zu viel für seine
Lungen. Er begann heftig zu husten — so grässlich und unappetitlich, dass er
damit sofort einen Bannkreis von drei Metern um sich zog. Sogar sein Kumpel,
der das gewohnt sein musste, rückte zur Seite.
„Kacke!“, wiederholte der
Ringer-Typ. „Und eine Unverschämtheit. Dieses Haus gehört Hans-Martin Zinse und
ihr seid der Dreck, den wir rauskehren werden.“
Tim wartete auf den nächsten
Hustenanfall, aber der Kerl hatte sich nun unter Kontrolle.
„Gaby, Karl, Klößchen, Frau
Rödelhoff — alle merken sich bitte als Zeugen, was der Mann eben gesagt hat.
Vor Gericht ist das ein bemerkenswertes Zitat. Es verrät die Art und Weise, wie
man hier mit den Mietern umspringen will.“
„Wer bist du denn, Affe?“,
fragte der Vierschrötige.
„Ich bin der Bodyguard von Frau
Rödelhoff.“
„Hähähäh... hohohoh...“ Die
beiden feixten.
Eigentlich müsste ich jetzt
beleidigt sein, dachte Tim. Aber die meinen natürlich: Man
Weitere Kostenlose Bücher