Die Gehorsame
Schocker und ein Schlag gegen das Ego zu denken, dass Sex so schwierig und kompliziert wie Literatur sein könnte.«
Ich begann mich zu fragen, ob diese scheinbar regellosen Sitzungen ihm einen Vorteil brachten. Vielleicht würde der Rest des Arrangements, das wir hatten, ohne diese Gespräche nicht funktionieren.
»Es ist schon spät«, sagte er. »Wir sollten uns wieder an die Arbeit machen.«
»Nein«, sagte ich. »Das mag zwar wichtig sein, aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Bin ich so schlecht trainiert, dass ich dort draußen, wo immer das auch sein mag, Schwierigkeiten bekomme?«
»Das ist hinterhältig«, warf er mir vor. »Du weißt doch, dass es keine Antwort auf diese Frage gibt. Ich trainiere dich nicht für ›da draußen‹. Ich trainiere dich nur für mich, das solltest du nie vergessen. Natürlich machst du dir Gedanken über ›da draußen‹, aber das solltest du einfach nur abwarten. Ich sage ja nicht, dass wir nicht einige technische Dinge beachten sollten. Kate hat recht mit Ballett und Yoga und so. Du kannst nächste Woche anfangen.« Er reichte mir weitere kleine Visitenkarten. »Und ich finde, du solltest deinen Job kündigen und hier einziehen. Die Auktion ist in sechs Wochen. Lass uns diese Papiere fertig machen.«
Die nächsten Wochen waren hart und schmerzhaft, wie Sie sich wohl vorstellen können. Wir unterhielten uns nicht mehr bei Pizza und Cola, und es brach mir fast das Herz, zu packen und mich von Stuart zu verabschieden. Aber mir war klar, dass ich diese Sache nur durchziehen konnte, wenn ich mich ihr voll widmete.
Und außerdem war Stuart auf einmal ohnehin kaum noch zu Hause. Er hatte sich nämlich verliebt. Er war bei Greg zu Hause, studierte mit Greg in der Bibliothek oder arbeitete mit Greg bei einem AIDS -Krisentelefon oder saß einfach nur mit ihm auf dem Sofa und hielt Händchen – all die guten Sachen, fand ich. Ich fühlte mich einsam, als ich an Jonathans Küchentür läutete, mit nur einem kleinen Koffer, einem Rucksack mit ein paar Büchern und meinem riesigen Verlangen herauszufinden, was als Nächstes passierte.
Es war ein völlig neues Spiel, vor allem anstrengend durch die Tatsache, dass ich vierundzwanzig Stunden am Tag auf Abruf bereit war, außer wenn ich beim Yoga- und Ballettunterricht war (der im Übrigen auch hart war, aber ich war mir sicher, dass Kate recht gehabt hatte – ich würde es noch brauchen können). Ich schlief auf einer kleinen Liege neben Jonathans Bett, angekettet an sein Kopfteil. Ich servierte ihm seine Mahlzeiten auf den Knien. Es gab Tage, da hatte ich das Gefühl, nicht von den Knien herunterzukommen. Er benutzte mich als Fußhocker, als Ablagetisch, als Aschenbecher. Er arbeitete weniger in seinem Büro, brachte Projekte mit nach Hause, und ich verbrachte ermüdende Stunden damit, still und stumm darauf zu warten, dass er von seiner Arbeit aufblickte und mir befahl, ihm einen zu blasen, mich hinzulegen, mich zu öffnen. An manchen Tagen durfte ich gar nichts sagen, an manchen Tagen durfte ich nichts mit den Händen machen und musste alles mit dem Mund erledigen. Die ursprünglichen Regeln hatte ich ganz gut gelernt, aber jetzt gab es immer wieder neue Regeln, neue Gründe, mich zu bestrafen.
Zu den intensivsten Veränderungen gehörte, kein eigenes Geld mehr zu haben. Ich meine, natürlich hatte ich welches. Ich hatte ein Bankkonto und ein wenig gespart. Aber ich musste es auf Jonathan überschreiben, damit ich erst darankommen konnte, wenn ich wieder frei war. Es war ein raffinierter Vertrag, den einer der pornografischen Anwälte aufgesetzt hatte, und wenn ich bedachte, um wie wenig Geld es ging, dann konnte es sich kaum gelohnt haben, dass Jonathan ihn für die Mühe bezahlt hatte. Aber wie die anderen Requisiten in seiner virtuellen Realität erfüllte der Vertrag seinen Zweck. Vor allem im Kontrast zu meinem früheren Job, in dem ich auf dem Fahrrad durch die Stadt gefahren war, fühlte ich mich zutiefst unfrei.
Jonathan oder Mrs. Branden gaben mir nur Geld für den Bus, wenn ich zum Ballett oder Yoga fahren musste, so dass ich hinterher sofort nach Hause kommen musste. Unmittelbar am Ballettstudio gab es ein tolles Café, in dem ich gerne mit einer Latte und einem Buch ein bisschen Zeit verbracht hätte, aber ich hatte kein Geld für eine Latte. Ich kam mir vor wie das Mädchen mit den Zündhölzern, das sich die Nase an der Scheibe plattdrückt und sehnsüchtig auf all die normalen Leute an den Tischen
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