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Die Gehorsame

Die Gehorsame

Titel: Die Gehorsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Molly Weatherfield
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Prüfung, voller Quälereien, Schmerzen, Präsentation und Höflichkeit hatte uns beide mitgenommen, und was wir jetzt wollten, war einfach nur Rammeln. Rein und raus. Reibung. Ich schloss die Augen und kam und kam. Ich war laut und versuchte zu vergessen, dass es so etwas wie Regeln, Form oder Sensibilität gab.
    Aber trotzdem vergisst man natürlich ein Jahr Sklaventraining nicht so einfach, und als ich nach einer Weile wieder zu Atem gekommen war, kroch ich ans Fußende des Bettes und kniete mich dorthin (obwohl ich nicht genau wusste, was ich mit dem Rock machen sollte, der um meine Taille hing, und mit den Strümpfen, die sich um meine Knöchel rollten). Jonathan schaute mich an, dann runzelte er die Stirn, seufzte und sagte: »Ach, zum Teufel, Carrie, ich glaube nicht, dass ich heute Nacht noch irgendwelche Regeln aufrechterhalten kann, nachdem ich den ganzen Tag diesen Profis zugeschaut habe. Lass uns einfach unter die Dusche gehen und uns hinlegen. Hast du Hunger? Sollen wir beim Zimmerservice bestellen?«
    Und so verbrachten wir die nächsten drei Abende. Wir kamen von der Prüfung, zogen uns aus, fickten und aßen danach. In einer Pause in der Prüfung am zweiten Tag war Jonathan beim Spazierengehen an einer englischsprachigen Buchhandlung vorbeigekommen und hatte eine ganze Tüte voller Krimis und Science-Fiction-Romane gekauft. Wir befolgten keine Regeln mehr und durften eigentlich alles sagen, was wir wollten. Aber wir hatten Angst, etwas Falsches oder Peinliches zu sagen. Ich zumindest. Und an diesen merkwürdigen, erschöpften, höflichen und seltsam freundschaftlichen Abenden hielten uns die Bücher beschäftigt. Wir vertieften uns in die Lektüre, und wenn einer fertig war, empfahl er das Buch dem anderen oder warf es in die Ecke.
    Die Rock-’n’-Roll-/Cyberpunk-Geschichte, die ich am vierten Abend überflog, erinnerte mich an Heavy Metal. Ich beschloss, es Jonathan zum Abschied zu schenken, wenn ich die Prüfungen bestand. Zum Dank für die Erinnerungen und für die seltsame Intimität, auch wenn wir in einem Jahr nur etwa vier wirkliche Gespräche geführt hatten. Lebewohl und danke dafür, dass er einen Job für mich gefunden hatte, der nicht nur ein Job, sondern vor allem ein Abenteuer war. Bis dann, Komplize, Kollaborateur, Co-Konspirateur.
    Genau in diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Jonathan ging hin. Vor der Tür standen zwei europäische Männer in Anzügen, die Haare so kurz geschnitten, dass sie aussahen wie die Polizisten in Nikita . Sie kamen jedoch vom Auktionskomitee und wollten uns sagen – eigentlich nur Jonathan –, dass ich die Prüfungen bestanden hatte. So viel konnte ich auf jeden Fall hören, obwohl der eine Mann, der das Reden übernommen hatte – wahrscheinlich konnte er als Einziger Englisch –, sehr leise sprach. Ich hörte Jonathan sagen: »Ich faxe Ihnen die Papiere in der nächsten Stunde. Und ich hole sie Ihnen jetzt.«
    Ich hatte nicht gewusst, dass sie einen mitten in der Nacht holen kamen. Und ich glaube, Jonathan auch nicht. Er trat zu mir – ich lag im Hotelbademantel und einem Paar Socken von ihm auf dem Bett – und zog mich hoch. »Du hast bestanden«, sagte er, »und du darfst jetzt nicht mehr sprechen.« So viel zu unserem Abschied. »Zieh deine Kleider aus«, fuhr er mit ausdrucksloser Stimme fort. »Du gehst mit diesen Herren.«
    Sie standen an der Tür und beobachteten uns ohne besonderes Interesse. Sie taten mir ein bisschen leid; das musste die trübseligste Master-Sklaven-Szene sein, der sie je beigewohnt hatten. Ich zog Socken und Bademantel aus, legte meine Brille auf das aufgeschlagene Buch und ging zu ihnen. Sie präsentierten ein Paar High Heels und einen Trenchcoat und halfen mir hinein. Dann führten sie mich stumm aus dem Zimmer und schlossen die Tür hinter sich.

6
    LANGE KORRIDORE
    Sie führten mich den langen, aseptischen Hotelflur entlang – dies war ein Hotel, in dem Geschäftsleute abstiegen und nicht zu ihrem Vergnügen – zum Aufzug und durch die Lobby. Einer von ihnen – nicht der, der gesprochen hatte – hielt meinen Arm sehr fest. Ich war ziemlich verängstigt. Schließlich befand ich mich in einem fremden Land, ohne Geld oder Pass, und wurde von zwei Kerlen Gott weiß wohin gebracht. Aber gleichzeitig fragte ich mich auch: Wovor hatte ich Angst? Vor einem weißen Sklavenring? Ach, Carrie, ich sage es dir ja ungern erst jetzt, aber genau da steckst du drin. Es sei denn, es handelte sich um eine bizarre

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