Die Geier
nicht mehr, wer sie waren und weshalb sie in sei-
nem Büro saßen. Sein Blick fiel auf das Foto, das er in
den Händen hielt. Er schob es den Polizisten wieder
hin.
»Sie wollen von mir wissen, ob mir einer dieser Män-
ner bei Simba begegnet ist?«
Die Inspektoren nickten.
»Tut mir leid«, seufzte der Chirurg sichtlich erschöpft.
»Abgesehen von seiner Gattin, einer Mischlingsfrau,
und seinem Sohn ist mir in Simbas Haus nie ein
Schwarzer begegnet. Ich glaube, er haßte es sogar, ein
Schwarzer zu sein. Und die einzige Vereinigung, bei
der er wahrscheinlich bereitwillig Mitglied geworden
wäre, akzeptierte keine Neger ...«
Er erhob sich.
»Ich muß weg. Entschuldigen Sie mich bitte . . . «
Auch die beiden Polizisten erhoben sich. Zorski stand
bereits an der Tür. Er öffnete sie und wandte sich noch
einmal an seine Besucher.
»Darf ich Ihnen noch einen letzten Rat mit auf den
Weg geben?«
Die Beamten schauten einander an.
»Trinken Sie weniger Bourbon, rauchen Sie weniger
und essen Sie weniger Brathähnchen. Andernfalls lan-
den Sie, der eine wie der andere, mit wundervollen
Fettpfröpfen in den Adern auf dem Operationstisch«,
sagte der Chirurg. »Etwas mehr Bewegung könnte auch
nicht schaden. Ich weiß nicht, aber ... Nun, verfolgen
Sie weiterhin Ihre schwarzen Hexer. Aber zu Fuß, wenn
ich bitten darf!«
Der Polizist mit der Halbglatze zog die Nase hoch.
»Dürfen wir auch ganz offen mit Ihnen reden?« fragte
er.
»Nur Mut!«
»In dem Zustand, in dem Sie sich momentan befin-
den, würde ich mich lieber von meinem Tankwart ope-
rieren lassen ...«
In der Nähe der Umgehungsstraße, in den Grünanlagen
und auf dem Boulevard hatte die G.I.G.N. Scheinwer-
ferrampen errichtet, von wo aus die vier Seiten des rie-
sigen Würfels beleuchtet wurden, der die russische Bot-
schaft darstellte. Dieses Gebäude war einer der dreißig
strategisch wichtigsten Punkte, deren Erstürmung re-
gelmäßig von den Elitetruppen der Gendarmerie ge-
probt wurde; allerdings erschwerte die von den Sowjets
streng geheimgehaltene Anordnung der Büroräume
und insbesondere der Kellerräume die Arbeit der Ein-
satzkräfte erheblich. Im Moment schien in den Reihen
der Polizei eine gewisse Verwirrung zu herrschen. Wi-
dersprüchliche Anweisungen waren im Umlauf, ent-
wickelten sich zu Gerüchten, wurden plötzlich wieder
dementiert und durch neue Befehle ersetzt.
Die Geier hockten hinter einem Gebüsch auf der an-
deren Seite der Avenue du Marechal Fayolle, gegenüber
der Botschaft. Die Terroristen hatten absichtlich alle
Lichter im Gebäude ausgeschaltet. Von Zeit zu Zeit
tauchten hinter den riesigen Fenstern der Botschaft ei-
nige flüchtige Schatten auf. Terroristen oder Geiseln?
Das konnte niemand wissen.
Die Cristal-Gruppe war eine Splittertruppe der is-
raelischen Armee, die sich nach zahlreichen Attentaten
der libanesischen Miliz und palästinensischen Kom-
mandotruppen zusammengeschlossen hatte. Da jedoch
immer mehr unschuldige Opfer zu beklagen waren, be-
gann ein großer Teil der zionistischen Armee an dem
Sinn dieses endlosen Krieges zu zweifeln. Mit der Zeit
war die Cristal-Gruppe, die von der Mehrheit der is-
raelischen Bevölkerung unterstützt wurde, offiziell un-
kontrollierbar geworden. So mußte man sowohl auf die
amerikanischen Interessen als auch auf die Bestimmun-
gen der UNO Rücksicht nehmen. Sehr schnell hatten
abtrünnige Soldaten der Cristal-Gruppe auf sich auf-
merksam gemacht, indem sie mit unglaublicher Grau-
samkeit ihre Kommandoeinsätze im Libanon verstärk-
ten und die Stellungen der schiitischen Truppen angrif-
fen und sogar für spektakuläre Attentate in Syrien und
im Iran die Verantwortung übernahmen. Die israelische
Regierung antwortete auf die Aktionen dieser Splitter-
gruppen mit offiziellen Erklärungen, deren lakonischer
Ton eine gewisse Zufriedenheit kaum verbergen konn-
te. Die Cristal-Gruppe war weltweit aktiv geworden. Im
Gegensatz zu anderen Terroristenorganisationen mar-
schierten sie munter über Grenzen hinweg, entführten
Flugzeuge, nahmen Geiseln und griffen, überall in der
Welt mit großem Erfolg, Länder an, die Israel feindlich
gesonnen waren.
»Was ist eine Ingram M II?« flüsterte Toland.
»Ein wahres Wunderding«, antwortete Milan. »Ein
kleines Maschinengewehr, kaum größer als ein Revol-
ver. Achthundertfünfzig Schuß pro Minute und so prä-
zis, daß du damit eine Hecke zurechtschneiden
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