Die Geier
Zeit, die Karten
aufzudecken. Er gab dem Anästhesisten ein Zeichen,
worauf dieser das Sauerstoffgerät abschaltete. Sogleich
fing das Herz regelmäßig und ohne die geringste Kom-
plikation zu schlagen an. Der Defibrillator war nicht
einmal nötig.
Zum ersten Mal im Verlauf dieses verrückten Ma-
rathons klatschten die Studenten, Praktikanten, As-
sistenzärzte und Krankenschwestern stürmisch Bei-
fall.
»Aufhören, sonst wacht er noch aus der Narkose
auf!« sagte Zorski.
Dem Beifall folgte Gelächter. Der Chirurg schloß den
Brustkorb - eine Arbeit, die man gewöhnlich den Prak-
tikanten überließ - und streifte sich den Mundschutz
ab.
»Das wär's für heute«, sagte er. »Legt euch einige
Stunden schlafen. Ich glaube, ihr habt's nötig. Ich
danke euch allen.«
Er trat auf den Flur hinaus, wo die beiden Polizisten
auf ihn warteten. Sie schienen sich noch nicht so recht
erholt zu haben. Zorski hatte ihnen einen bösen Streich
gespielt.
»Gehen wir in mein Büro.«
Die Polizisten folgten ihm und waren sich ihrer Vor-
rechte schon nicht mehr ganz so sicher.
Vierundzwanzigstes Kapitel
Dank der Straßensperren, die ein langsameres Fahren
verlangten, gelang es Goldman, mit seinem Chevrolet
erneut zum Studebaker aufzuschließen. Offensichtlich
genossen die Wagen der Z.S.A. ein beinahe unbe-
schränktes Passierrecht. Toland war verblüfft. Mit sei-
nem Cherokee wäre er mitten im Stau steckengeblie-
ben. Der Sammler wußte sehr wohl von den Verbin-
dungen zwischen den Hospitälern und der Organisa-
tion von Steve Odds, denn die damit verbundenen Un-
annehmlichkeiten hatte er am eigenen Leib verspüren
müssen, doch diese offenkundige Zusammenarbeit mit
der Polizei war ganz neu für ihn. Milan steuerte den
Studebaker, trotz Fahrverbot, in die Avenue du Mare-
chal Fayolle. Eine zweite Sperre der Bereitschaftspolizei
wurde geöffnet, um ihm den Weg freizumachen.
Ein junger Polizist in Jeans und Wildlederjacke und
mit einem offen zur Schau getragenen Revolver an der
Hüfte sprang auf das Trittbrett.
»Na, ihr Geier!« grinste er. »Die guten Fälle entgehen
euch nie, wie?«
»Salut, Cowboy!« antwortete Milan und fuhr langsa-
mer. »Ich möchte dir den Neuen vorstellen: David To-
land.«
Neugierig schaute der Polizist David an.
»Toland?«
Mit einer Hand schob Milan den Polizisten zur Seite
und spuckte zum Fenster hinaus. Dann deutete er auf
das imposante Botschaftsgebäude.
»Wie sieht's denn da drinnen aus?«
Ratlos verzog der Polizist das Gesicht.
»Schlecht«, murmelte er. »Sehr schlecht. Ein israeli-
sches Kommando, das sich als Cristal-Miliz aus dem
Südlibanon ausgibt. Ungefähr zwanzig Kerle mit Uzis,
Ingram M II-Waffen und Zersplitterungsgranaten. So-
viel wir wissen, sind sie momentan dabei, im ganzen
Gebäude Sprengkörper anzubringen. Wenn wir jetzt
angreifen, lassen sie alles in die Luft fliegen.«
»Scheiße«, zischte Milan. »Gibt es bereits Tote?«
Der Polizist nickte.
»Diese Idioten haben drei Kollegen des Wachdienstes
und zwei Angestellte der Botschaft aus dem Fenster
geworfen.«
»Und wo sind sie jetzt?«
»Pech gehabt, Milan. Der Innenminister hat den Be-
fehl gegeben, daß die Opfer nicht angerührt werden
dürfen.«
Milan runzelte die Stirn.
»Der Innenminister kann mich am Arsch lecken.
Oder tragen die Toten etwa Verbotsplaketten?«
»Milan!« seufzte der junge Polizist. »Drei Polizisten
und zwei ausländische Diplomaten, das kannst du doch
nicht machen!«
Der Geier fluchte und griff nach dem Mikrophon.
»Goldman, wir haben fünf Klienten in Aussicht! Sag
Gayle, er soll die nötigen Vorbereitungen treffen, in der
Zwischenzeit warten wir auf die Genehmigung.«
»Auf welche Genehmigung?« knatterte es durch den
Lautsprecher.
»Die Heinis aus dem Ministerium wollen, daß wir die
Spitäler mit halbverwesten Leichen beliefern!« brüllte
Milan und schaltete das Mikrophon kurzerhand wieder
ab.
Er wandte sich an den Polizisten.
»Was habt ihr denn nun vor? Setzt ihr zur Erstür-
mung an oder nicht?«
Der Polizist zuckte mit den Schultern.
»Deswegen sind wir ja hier«, knurrte er. »Aber es lau-
fen noch geheime Verhandlungen. Es besteht eine Di-
rektleitung zum israelischen Premierminister.«
Milan verzog den Mund.
»Scheiße!« zischte er. »Das wird in die Hose gehn.
Denn am Ende ergeben sich diese Idioten noch . . . «
Nachdenklich kratzte er sich an der Wange und zog
eine Karte aus seiner Tasche. Das
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