Die Geier
ein
Anschwellen des Herzens zu verhindern. Aber am
Ende würde sie dann doch unweigerlich sterben, ohne
daß jemand etwas für sie tun könnte.
Hugo Russel saß im Spielzimmer, beugte sich über
das Schachspiel mit der fehlenden Königin und
schlürfte einen Martini Dry, dessen bitterer Geschmack
die ihn lähmende Angst zu beseitigen schien. In etwa
zwanzig Minuten würde Zorski in der Villa eintreffen,
und das Personal - die Krankenschwestern wie auch die
Hausdiener - schien fest davon überzeugt zu sein, daß
der berühmte Chirurg erneut ein Wunder vollbringen
könnte. Russel hatte nicht die Kraft, ihnen die Wahrheit
zu sagen. Es gab keine Rettung mehr für Pamela Sir-
chos. Zorski würde sich vergeblich hierher bemühen
und sich dessen nach spätestens fünf Minuten ebenfalls
bewußt werden.
Russel hingegen wurde von einem anderen Rätsel
gequält. Hatte die Herzklappe vor oder nach dem Ein-
dringen der Rowdies nachgegeben? Was war die ge-
naue Ursache des Unfalls? Die Gauner oder ... dieser
widerwärtige bestialische Liebesakt, dem er sich unter
Pamelas eisigem Blick hingegeben hatte?
Nach zweimaligem kurzen Klopfen betrat der Butler
das Zimmer.
»Die Köchin hat ein kleines Mahl zubereitet«, sagte
er. »Wenn Sie Hunger haben ...«
Russel schüttelte den Kopf.
»Nein danke, im Augenblick nicht.«
»Wir haben Monsieur Sirchos in Montreal erreichen
können. In drei oder vier Stunden wird er hier sein«,
fügte O'Neal hinzu.
Russel hob den Kopf. In dem starren Blick des Butlers
war keine Spur von Feindseligkeit zu erkennen. An-
scheinend beschränkte er sich darauf, die Nachrichten
zu übermitteln. Aber auch ein Anflug von Komplizen-
schaft war nicht zu erkennen. Jimmy O'Neal hatte ge-
sehen, wie ein nackter Mann das Schlafzimmer seiner
Herrin verließ, und zwei Jugendliche getötet, doch er
blieb kühl wie ein Eisberg.
»Gibt es wirklich nichts, das Sie aus der Fassung
bringen kann, Jimmy?« fragte der Arzt leise.
Eine Sekunde lang zögerte der Hausmeister. Zumin-
dest sah es so aus, als würde er zögern, aber bestimmt
war auch das wieder nur eine Taktik von ihm.
»Doch, Monsieur«, gestand er in völlig unbeteiligtem
Ton. »Vorhin, als Sie sich im Schwimmbecken das Le-
ben nehmen wollten, war ich einen Augenblick lang
versucht, nicht einzugreifen.«
Russel verzog das Gesicht.
»Warum haben Sie es dann doch getan?«
»Ich dachte, daß es Monsieur später vielleicht leid tun
würde«, sagte O'Neal ungeniert. »Um ganz ehrlich zu
sein: Ich hätte auch geschossen, wenn das Mädchen
Monsieur nicht zur Seite gestoßen hätte. Und diese
Waffe ist nicht besonders wählerisch . . . «
Russel zuckte mit den Schultern.
»In dem Fall hätten Sie nichts anderes getan, als mir
das Leben, das Sie mir vorhin gerettet hatten, wieder zu
nehmen«, knurrte er leicht verärgert über den schulmei-
sterlichen Ton des Butlers.
Jimmy O'Neal räusperte sich.
»Ich wollte damit sagen, daß ich die Möglichkeit hat-
te, diese Rowdies am Eindringen in die Villa zu hin-
dern«, fügte er hinzu und ging hinaus.
Diese letzte Bemerkung hatte zumindest das Ver-
dienst, die Situation klarzustellen.
Jimmy O'Neal hielt Russel für alles verantwortlich
und ließ keine mildernden Umstände gelten. Und der
Arzt war nicht weit davon entfernt, dasselbe zu den-
ken ...
Er nahm eine Glasfigur und hielt sie lange in der
Hand.
Da sie wußten, daß es am Ende wahrscheinlich doch
nicht zu einem Einschreiten kommen würde, wurden
die Polizisten deutlich nachlässiger. Aus verschiedenen
Gründen, aus Angst oder aus einer gewissen Sympa-
thie für die Cristal-Truppen, schienen alle mit diesem
Ausgang zufrieden zu sein. Nur die Erinnerung an die
ermordeten Bereitschaftspolizisten verwirrte sie noch
ein wenig. Ohne diese Toten hätten die Kommando-
mitglieder die Botschaft fast sogar unter stürmischem
Beifall verlassen können. Einige Polizisten spazierten in
den angrenzenden Grünanlagen umher, stellten sich
zusammen, um miteinander zu diskutieren, und über-
querten schutzlos die Avenue du Marechal Fayolle. Die
vor einigen Minuten noch äußerst angespannte und kri-
tische Situation hatte sich rasch entspannt. Und nur
sehr wenige Anwesende begriffen sogleich, daß der
Schuß aus einer Maschinenpistole stammte.
David Toland glaubte, der Knall stamme aus dem
Auspuff eines auf der Umgehungsstraße vorbeifahren-
den Wagens. Erst als er den Mann vom Dach fallen sah,
begriff
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