Die Geier
Situationen
immer so.
Roussel packte David am Arm.
»Komm, laß uns verschwinden! Es wird Ärger ge-
ben.«
David riß sich los und ging auf die Frau zu. Ein Kerl
wie ein Schrank stellte sich ihm in den Weg.
»Was hast du vor?«
Die Frau trat näher. Sie tobte und spuckte David ins
Gesicht.
»Du Schwein!«
Ganz ruhig wischte sich David die Wange ab. Er be-
trachtete das Kind, das bereits ganz blau im Gesicht
war.
»Roussel! Sieh dir den Jungen einmal an!«
Der Mann mit den athletischen Schultern zog ein
Springmesser aus der Tasche. Die Klinge verfehlte To-
lands Augen nur um wenige Zentimeter.
»Und wenn ich dich ebenfalls in Stücke schneide?«
Roussel kam näher. Er schwitzte und sah sich ängst-
lich nach allen Seiten um. Er versuchte, den Jungen ab-
zuhorchen, doch die Frau wich erneut zurück und
knurrte wie ein wildes Tier.
»Ich werde dir den Bauch aufschlitzen, Dreckskerl!«
»Kaputte Luftröhre«, murmelte Roussel und wollte be-
reits vorsichtig den Rückzug antreten. »Da ist nichts
mehr zu machen.«
Ohne seinen Gegner aus den Augen zu lassen, sagte
David klar und deutlich: »Madame, ich könnte Ihrem
Jungen vielleicht das Leben retten. Ich muß einen Luft-
röhrenschnitt vornehmen, damit er wieder atmen
kann.«
»Du Hurensohn!« brüllte der Koloß. »Hast du denn
vor nichts Respekt?«
Plötzlich packte David den Mann mit dem Messer am
Handgelenk, verdrehte ihm den Arm und riß ihn brutal
an sich, um ihm einen kräftigen Stoß zwischen die Beine
zu versetzen. Der Athlet ließ die Waffe fallen und brach
jammernd vor den Füßen des Sammlers zusammen.
David sah, wie die schwarzvioletten Uniformen der
Z.S.A.-Angestellten zwischen den Autos allmählich
näher kamen.
»Was soll ich tun?«
Ängstlich schaute die Frau sich nach den Sammlern
der Gewerkschaft um. Sie klapperte mit den Zähnen.
»Sein Herz hat aufgehört zu schlagen ...«, murmelte
sie mit tränenerstickter Stimme.
David stieß den Angreifer von sich, nahm das Kind
und legte es auf den Boden. Als die Frau die Klinge sei-
nes Skalpells aufblitzen sah, stieß sie erneut einen
Schrei des Entsetzens aus. Roussel, der ganz bleich im
Gesicht geworden war, kniete sich neben das Kind.
»Wenn der Junge stirbt, sind wir dran«, warnte Da-
vid.
In dem Moment, als David den winzigen Schnitt un-
ter dem Adamsapfel des Jungen ausführte, stürzte sich
der Koloß von neuem auf ihn. Schnaufend wie zwei
Holzfäller wälzten sich die beiden Männer am Boden.
Völlig verschwitzt führte Roussel den Eingriff zu Ende
und blies Sauerstoff in die gelähmten Lungen des Jun-
gen. Die magere Brust wölbte sich. Dann setzte Roussel
den Wiederbelebungsapparat an. Das Herz zeigte kei-
nerlei Reaktion. Mit dem Handrücken wischte Roussel
sich den Schweiß von der Stirn, der ihm in die Augen
tropfte.
Der Mann war unglaublich stark, aber er wußte mit
seiner Kraft nichts anzufangen. Mit einem jähen Knie-
stoß trat David ihm in die Hoden, richtete sich schnell
wieder auf und erledigte seinen Gegner mit einem wir-
kungsvollen Kinnhaken.
Das Herz des kleinen Jungen zeigte nach wie vor kei-
nerlei Reaktion. Toland hockte sich neben seinen Part-
ner.
»Es ist zu spät«, stöhnte Roussel.
Toland hockte sich über das Kind. Mit seiner ganzen
Kraft drückte er auf dessen Brust, die sich im Rhythmus
der vom Sauerstoffgerät eingepumpten Luft immer
wieder aufblähte.
Nun schwitzte auch David. Auf Roussels kleinem
Bildschirm bewegte sich nichts. Die Pupillen des Kindes
blieben starr und weit geöffnet. Der Sammler stöhnte
im Rhythmus der künstlichen Beatmung. Es war wie
eine Herausforderung des Todes, der sich an dem Men-
schen rächte, der sich seiner Unabwendbarkeit schon so
oft widersetzt hatte. Toland wußte, was in dem Hirn des
Jungen vorging. Die Zellen, die nicht mehr ausreichend
durchblutet wurden, verkümmerten, verfärbten sich
blau und starben schließlich ab. Alles Leben versank im
Cytoplasma. Die Organe hörten nach und nach auf zu
funktionieren.
Fassungslos beobachtete Roussel seinen Partner. Er
begriff nicht, warum Toland sich so sehr bemühte. Es
gab doch nichts mehr zu retten. Und selbst wenn dieses
kleine verfluchte Herz plötzlich wieder schlüge, bliebe
das Kind für den Rest seines Lebens ein Krüppel.
Toland verlangte nach einer Adrenalinspritze, die er
direkt ins Herz führte.
Auf dem Bildschirm war zu sehen, wie das Herz rea-
gierte. Aber es schlug viel zu schnell,
Weitere Kostenlose Bücher