Die Geier
Block 8. Wie es aussieht, hast du auf der Umge-
hungsstraße ziemliches Unheil angerichtet.«
»Schrecklich!« lachte David. »Aber jetzt habe ich den
nötigen Ersatz für die Hirne dieser verfluchten Straßen-
bau-Ingenieure.«
Affenhirne in Konservenbüchsen.
David verließ den Raum und ging zu den Operations-
sälen.
Als die Hunde Milans Studebaker kommen sahen, leg-
ten sie die Ohren an und verkrochen sich im Wohnwa-
gen. Milan steuerte den Wagen durch die Hauptallee.
Geräuschvoll rollten die Reifen mit den dicken Profilen
durch den Dreck. Ob im Winter oder im Sommer, ob es
regnete oder nicht, der Boden des Parks war stets
schlammig und voller Furchen, in denen sich übelrie-
chendes grünes Wasser ansammelte. Auf beiden Seiten
der Allee erhoben sich wahre Wände aus alten Auto-
wracks jeder Marke. Kein Fahrer war lebendig aus einem
dieser Wagen ausgestiegen. Das wußte Milan besser als
jeder andere. Er hatte ihnen die Organe entnommen
und seinen Brüdern den Schrott überlassen. Die Ge-
brüder Milan handelten mit wiederverwertbarem Mate-
rial. Mit Fleisch und Metall.
In einer riesigen öllache blieb der Studebaker stehen.
Sogleich stand Vito mit ölverschmiertem Gesicht neben
der Wagentür.
»Das hat aber lange gedauert!« knurrte er. Dabei
schürzte er die Lippen, so daß seine krummen schmut-
zigen Zähne zu sehen waren.
Vito war so knochig, wie sein Bruder muskulös war.
Seine Augen glichen zwei Halden inmitten einer un-
ebenen eitrigen Landschaft. Sein ausgemergeltes Gesicht
war bereits voller Runzeln, und jede schmutzige Furche
war mit unzähligen entzündeten Pickeln übersät. An
den Schläfen gingen ihm bereits die Haare aus, wäh-
rend sie in seinem Nacken lang nach unten hingen.
Nicht nur ein Bad hatte er dringend nötig, sondern eine
umfassende Säuberung. Von Jahr zu Jahr sah er der fau-
ligen, mit Kohlenwasserstoff vollgepumpten Erde und
den zerbeulten Automobilen ähnlicher - ein echter Fall
von Osmose.
Als Milan die Wagentür öffnete, mußte Vito einen
Schritt zurückweichen.
»Allmählich habe ich die Schnauze voll mit euren
Dummheiten!« brüllte Milan. »Ist Ma eigentlich schon
zurück?«
»Sie ist in Montreuil, beim Unterernährten.«
Milan spuckte in die Ölpfütze.
»Mist!«
Dann plötzlich packte er seinen Bruder am Jackenkra-
gen und zog ihn ganz nahe zu sich heran. Irgendwo im
Park winselte ein Hund.
»Los! Pack aus, Idiot! Was habt ihr diesmal ange-
stellt?«
Vitos Augen änderten die Farbe.
»Es ist nicht meine Schuld, Mirko, das mußt du mir
glauben! Es war diese Frau. Sie brauchte einen neuen
Rückspiegel für ihren BM ...«
Milan runzelte die Stirn.
»Weiter!« knurrte er.
»Sie wackelte mit dem Hintern, das hättest du sehen
müssen! Und wie sie mit ihren hohen Absätzen durch
den Schlamm watete, ihre Strümpfe waren voller
Schmutz ...«
Vito hatte Mühe weiterzusprechen.
»Ich hab es nicht verhindern können. Mit einem ein-
zigen Hammerschlag hat Stefan ihr den Kopf zertrüm-
mert.«
Milan verzog das Gesicht. Einen Augenblick lang
schaute er zum wolkenverhangenen Himmel hoch.
»Ich hatte dir doch gesagt, du sollst den Kleinen ein-
sperren, wenn Ma weg ist! Erinnerst du dich?« schrie er
und schüttelte seinen Bruder. »Hatte ich dir das befoh-
len, ja oder nein?«
Vito schluchzte erbärmlich.
»Ja, aber ...«
»Und dann? Was war dann?«
Vito zog den Kopf ein, als befürchtete er eine gehörige
Tracht Prügel.
»Als ich ihn daran hindern wollte, versuchte er, auch
mir mit dem Hammer den Kopf einzuschlagen. Er
schwang ihn hoch über seinem Kopf - so. Ich wagte es
nicht, mich ihm zu nähern. Er schrie wie ein Verrückter.
Und dann habe ich dich angerufen.«
Einen Moment lang schwieg Milan und starrte seinen
Bruder an. Vito wich seinem Blick aus.
»Wo ist der Kleine jetzt?«
»Er hat sich im Scheißhaus eingesperrt. Du weißt, wie
er ist, danach. Er weint stundenlang.«
Milan kniff die Augen zusammen.
»Und das Mädchen?«
»Ich habe sie in den blauen Lieferwagen gelegt, dort
hinten.«
Milan versetzte ihm eine kräftige Ohrfeige. Jaulend
fiel Vito in die Ölpfütze.
»Schlag mich nicht, Mirko, bitte, schlag mich nicht!«
»Und eine solche Gelegenheit hast du dir natürlich
auch nicht entgehen lassen, du Saukerl!«
Er zeigte mit dem Finger auf seinen Bruder.
»Eines Tages ... eines Tages werde ich euch alle beide
umbringen. Zuvor aber wird Ma davon erfahren und
dir sämtliche Knochen
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