Die Geier
deiner stinkenden Finger bre-
chen!«
Vito kroch durch den Schlamm, klammerte sich an
die Füße seines Bruders und drückte das Gesicht gegen
dessen Schuhe.
»Sag ihr nichts davon, bitte! Sie darf es nicht erfah-
ren.«
Mit tränenden Augen sah er Milan an.
»Wir machen's wie immer, nicht wahr, Mirko? Nie-
mand wird je etwas erfahren. Sie sieht auch gar nicht
übel zugerichtet aus, weißt du.«
Milan bückte sich, packte seinen Bruder an den Haa-
ren und warf ihm den Kopf nach hinten. Vito stöhnte
kurz auf.
»Wir werden überhaupt nichts tun«, sagte Milan.
»Eine Vergewaltigung hinterläßt immer Spuren. Du
wirst das Mädchen unter die Walze legen und den Wa-
gen unter die Presse. Und wenn die Polizei hier auf-
kreuzt, sperrst du den Kleinen ein und läßt Mutter mit
ihnen sprechen. Ich will nicht ein einziges Haar von der
Frau hier sehen. Kapiert?«
»Einverstanden«, schluchzte Vito. »Ich werde alles
tun, was du sagst.«
»Das will ich aber auch hoffen«, zischte Milan und
ließ seinen Bruder wieder los.
Erneut fing es zu nieseln an.
Milan ging zu der winzig kleinen Holzbaracke, die als
Klo diente und wo sein kleiner Bruder hockte und wein-
te: ein Mongoloide von 17 Jahren und hundertdreißig
Kilo, Mamas Liebling.
David sah, wie Loic Gaborit aus dem Operationssaal
kam. Der Chirurg warf seine Plastikhandschuhe zu Bo-
den.
»Ein Massaker! Ein wahres Massaker!«
Soeben hatte er einer Frau, deren Blutgefäße völlig
verstopft waren, ein Dacron-Transplantat im Bein ein-
setzen müssen. Diese Patientin war von einem Motor-
rad angefahren und vom Gaspedal der Maschine ziem-
lich schwer am Oberschenkel verletzt worden. Ihr Arzt
war bei der Behandlung der Wunde sehr nachlässig ge-
wesen: Er hatte vergessen, das durchtrennte Segment
durch ein künstliches Arterienstück zu ersetzen. Inner-
halb weniger Tage war das Bein erheblich angeschwol-
len, und auf der Haut, auf der sich bereits Schuppen
bildeten, waren zahlreiche rötliche Striemen zu sehen.
Wenn Gaborit nicht eingegriffen und ihr das Transplan-
tat eingesetzt hätte, das nun wieder einen normalen
Blutkreislauf sicherte, hätte man der Frau das Bein am-
putieren müssen.
Gaborit war ein junger Chirurg, der sich erst bewäh-
ren mußte, aber seine Wutanfälle standen denen seiner
berühmteren Kollegen in nichts nach. Die Assistenz-
ärzte fürchteten ihn ebenso wie die weltweit anerkann-
ten Professoren. David schätzte ihn wegen seiner Fach-
kenntnisse, aber das war nicht der einzige Grund ihrer
besonderen Beziehung. Auch Gaborit widersetzte sich
dem Druck der Gewerkschaft. Und er machte keinen
Hehl daraus, daß er Steve Odds und seine Männer ver-
achtete. Beim Wettstreit um die Organe bevorzugte er
niemanden in irgendeiner Weise, sondern kaufte auch
bei den Unabhängigen, vorausgesetzt, man bot ihm ge-
sunde Organe an. In dieser Hinsicht richtete sich Gabo-
rit einzig und allein nach den Interessen seiner Patien-
ten, ein Wagemut, der ihm sogar eine immer größer
werdende Zahl von Feinden wert war.
Andererseits bewunderte auch der Chirurg Tolands
Mut und Berufsethik. Gaborit war nicht der einzige Arzt
im Saint-Louis-Hospital, der befugt war, mit den
Sammlern Geschäfte abzuschließen, aber Toland hatte
ihn kurzerhand zu seinem einzigen Vermittler gemacht.
Gaborit sah, wie David auf ihn zukam. Seine hellen
Augen waren ständig in Bewegung, so als bereitete es
ihm große Mühe, seine Aufmerksamkeit auf einen be-
stimmten Punkt zu konzentrieren. Die beiden Männer
gaben sich die Hand, und Gaborit nahm den Sammler
mit in sein Büro.
»Und, was ist mit diesem Unfall?«
»Eine üble, sehr üble Sache.«
Gaborit schüttelte den Kopf, ging zum Waschbecken
und seifte sich ausgiebig die Hände ein.
»Was hast du mir anzubieten?«
»Alles, was du benötigst. Erstklassige Ware.«
Gaborit trocknete sich die Hände ab.
»Wunderbar! Du hast gute Arbeit geleistet.«
Er ging um seinen Schreibtisch herum, nahm die Li-
ste, die Toland ihm reichte, und griff nach einer Zigarre
in der dunklen Holzkiste. Nach jeder Operation mußte
er eine davon rauchen. An manchen Tagen kam er bei-
nahe auf fünfzehn Stück. Im Saint-Louis wurde ge-
munkelt, Gaborit schlafe nicht mehr als drei Stunden
am Tag, und der Operationssaal sei regelrecht eine
Droge für ihn geworden.
»Wunderbar«, wiederholte der Chirurg. »Als ich vor-
hin am Computerschirm vorbeikam, haben die Kerle
der Z.S.A. Baylor eine
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