Die Geier
unerschütterliche Skulptur. Als
Kenner der menschlichen Anatomie war Zorski sogleich
aufgefallen, daß es an Sirchos keinerlei Rundungen gab.
Sein Gesicht und sein Körper, von den unwahrschein-
lich stark vortretenden Backenknochen bis zu den lan-
gen schmalen Fingern - alles war eckig und kantig.
Seine Haut glänzte in bläulichen Farben. Seine offen-
sichtliche Geschmeidigkeit verhinderte nicht eine tadel-
lose, unerbittlich gerade Körperhaltung. Keine seiner
Bewegungen wirkte willkürlich oder zögernd. Seine er-
staunlich tiefe Stimme unterstrich die Kälte, die er aus-
strahlte.
Am Telefon hatte Sirchos nur einen Vorschlag ge-
macht. Einen einzigen. Im Falle einer erfolgreich durch-
geführten Operation würde er Zorski sämtliche Kredite
gewähren, die dieser für seine Hospitäler und seine For-
schungsarbeit benötigte, ohne quantitative oder zeitli-
che Begrenzung. Keiner von beiden hatte von einem
möglichen Mißerfolg gesprochen.
Soeben hatte Zorski die teuerste Operation in der Ge-
schichte der Medizin abgeschlossen.
»Wie geht es ihr?« fragte der Milliardär.
Zorski begriff sofort, daß er diesem Mann keine der
üblichen Antworten geben konnte wie: >Die Operation
ist gelungen. Ihrer Frau geht es den Umständen ent-
sprechend gut .. .< Solche Antworten würde Alexander
Sirchos nicht akzeptieren.
Zorski holte tief Luft und seufzte eher, als daß er klar
und deutlich sprach.
»Nicht besonders gut, fürchte ich. Ich wußte nicht,
daß Pamelas Herz so sehr in Mitleidenschaft gezogen
war. Und ich kann Ihnen nicht versprechen, daß diese
neue Klappe länger halten wird als die vorherigen. Das
Gewebe ist zum Teil abgestorben. Es ist zweifellos nicht
mehr in der Lage, den Druck eines normalen Herzens
auszuhalten. Ich habe eine Abzweigung vorgenommen,
um das Gewebe um die Herzklappe zu entlasten. Sie
müssen verstehen, daß dieses Herz, das viel zu lange
mit weniger als fünfzig Prozent seiner Leistungsfähig-
keit funktioniert hat, nun nicht mehr in der Lage ist,
eine hundertprozentige Leistung zu bringen.«
Sirchos wirkte verkrampft, seltsam nervös. Pamela
war unbestreitbar sein schwacher Punkt. Der Milliardär
hätte alles darum gegeben, sie vor dem Tod zu retten,
und mit seiner Ohnmacht konnte er sich nur schwerlich
abfinden.
»Wie stehen die Aussichten auf Erfolg?« fragte er
ziemlich gefühllos.
Zorski zuckte mit den Schultern.
»Schwer zu sagen, Mister Sirchos. Das hängt von so
vielen Einzelheiten ab. Die neue Klappe kann fünf Tage
oder zehn Jahre lang funktionieren. Was mir eher Sor-
gen bereitet, ist das Herz. Es kann jeden Augenblick
aufhören zu schlagen.«
Als Zorski sah, wie Sirchos völlig reglos dastand, war
ihm klar, daß er ihm nicht ständig nur mit schlechten
Nachrichten kommen durfte.
»Sie müssen gut auf Pamela aufpassen«, sagte er mit
ruhiger Stimme. »Sie muß ständig unter ärztlicher Kon-
trolle sein, und Sie müssen sie vor jeder Anstrengung
oder Aufregung schützen, die ihren Herzschlag be-
schleunigen könnte. Unter diesen Bedingungen und
mit der entsprechenden chemotherapeutischen Be-
handlung kann Pamela noch so lange leben, bis ...«
Er zögerte kurz.
»Wie lange?« ermutigte ihn der Milliardär.
»Bis wir eine ihrem Problem tatsächlich entspre-
chende Lösung gefunden haben.«
Er räusperte sich.
»Es hat keinen Sinn, Ihnen etwas vorzumachen, Mi-
ster Sirchos. Eine vierte Herzklappe können wir ihr
nicht einsetzen. Ich habe Ihrer Frau nicht das Leben ge-
rettet, sondern es nur verlängert. Ich habe ihren Tod
nur etwas weiter hinausgezögert, mehr nicht, und ich
will für meine Arbeit auch gar nicht bezahlt wer-
den.«
Der Blick des Milliardärs verriet ihm, daß ihm nun
auch der schwierigste Teil der Operation gelungen war.
Denn soeben hatte er Alexander Sirchos' vollstes Ver-
trauen gewonnen und war somit zum mächtigsten
Mann der Welt geworden.
Wie David vermutet hatte, kaufte die Lilien-Klinik ih-
nen - nach einer kurzen, aber unangenehmen Diskus-
sion über die von der Gewerkschaft festgesetzten neuen
Tarife - die Gebärmutter ab. Anscheinend war Steve
Odds nach einer neuen Taktik vorgegangen, um sich
auch mit den letzten Krankenhäusern zu verbünden,
die nach wie vor vorurteilslos mit den Unabhängigen
zusammenarbeiteten: Er verkaufte zu drastisch gesenk-
ten Preisen. Seit einigen Tagen gaben die Z.S.A.-Geier
ihr Material zu regelrechten Schleuderpreisen ab, um
jegliche
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