Die Geier
Gegenstand, der die Form eines Steuer-
knüppels hatte. Der Körper bäumte sich kurz auf und
fiel unverzüglich wieder in eine groteske Position zu-
rück.
Mein Gott, sie töten ihn! dachte der Journalist.
Ein Geier, der das Klicken seiner Kamera gehört ha-
ben mußte, drehte sich jäh um und zeigte mit dem Fin-
ger auf den Mann.
Der Journalist lief los. Noch wußte er nicht, welcher
Gefahr er sich ausgesetzt hatte, wovor er flüchtete, doch
eins wußte er ganz genau: Einen Zeugen würden die
Geier nicht entkommen lassen.
David Tolands Computer gab eine weitere Nachricht in
den Cherokee durch. Roussel knurrte mißmutig. Vor
lauter Müdigkeit fiel er fast um. Er hätte nicht mehr die
Kraft, einen weiteren Eingriff vorzunehmen.
David streckte die Hand aus und riß das von dem
Drucker beschriftete Blatt Papier ab.
»Tödlicher Unfall in der Nähe der Porte de Clignan-
court«, sagte er. »Da müssen wir hin!«
Er drückte aufs Gaspedal. Wie ein Pfeil schoß der
Cherokee die Zufahrtsstraße zur Ringautobahn hinauf.
Roussel klammerte sich an seinen Sicherheitsgurt. Er
wußte, wie David fuhr, wenn er als erster an der Unfall-
stelle sein wollte.
»Dem da wirst du doch wohl nicht die Vorfahrt neh-
men?« jammerte Roussel verzweifelt.
David antwortete nicht einmal. Mit eingeschalteter
Lichtsirene raste der Cherokee in Richtung Außenring.
Wenn David sich in einem solchen Zustand der Erre-
gung befand, beachtete er keinerlei Beschilderung
mehr, überfuhr Stoppschilder und rote Ampeln, ohne
das Tempo auch nur im geringsten zu drosseln, und ra-
ste durch Straßen mit Fahrverbot und über die Schnell-
streifen. Wenn Roussel vor Kreuzungen mal wieder um
sein Leben fürchtete und David zur Vorsicht mahnte,
erinnerte dieser ihn daran, daß das Blaulicht ihnen Vor-
fahrt gab. In dieser Hinsicht hatte David bislang tatsäch-
lich jedesmal großes Glück gehabt. Schon tausendmal
waren sie um ein Haar einer Katastrophe entgangen.
Mitsamt der Ausrüstung war der Cherokee beinahe
hunderttausend Dollar wert, wovon jedoch nur ein
Drittel versichert war. Roussel schauderte es bei der
Vorstellung, es könnte etwas passieren.
Auf der Ringautobahn war die Gefahr einer Kollision
geringer. David begnügte sich damit, mit höchster Ge-
schwindigkeit zu fahren und sich zwischen den lang-
samer fahrenden Wagen, die nicht ausweichen wollten,
hindurchzuschlängeln.
Es war zu einer Art Spiel geworden. Es ging nicht
mehr nur darum, vor der Konkurrenz an der Unfall-
stelle einzutreffen, sondern auch vor dem Krankenwa-
gen, der Polizei und der Feuerwehr. Oft gelang das Da-
vid. Mit einem Lächeln stellte Roussel sich vor, daß sein
Partner eines Tages bereits an der Unfallstelle eintreffen würde, bevor der Unfall sich überhaupt ereignet hätte.
Toland ließ die Sirene aufheulen, um einen offenbar
zerstreuten Fahrer, der mit hundert Stundenkilometern
über die Autobahn kroch, zur Seite zu bewegen. Der
Mann war so überrascht, daß er abrupt nach rechts aus-
scherte und um ein Haar die Leitplanke gerammt hätte.
»Vielleicht ist dies überhaupt die beste Methode«,
seufzte Roussel.
»Was meinst du?«
»Die Unfälle selbst verursachen, um ganz sicher zu
sein, als erster an der Unfallstelle einzutreffen.«
David lächelte gequält.
Rücksichtslos wechselte der Cherokee die Fahrbah-
nen und reihte sich auf der Umgehungsstraße ein. Die
nächste Kreuzung war völlig leer, und die Ampel stand
auf Rot. Roussel verkrampfte sich. David würde doch
wohl nicht auch dort durch Rot fahren?
David bremste. Gerard seufzte erleichtert auf. Die
Lichtmasten, die diesen Straßenteil unterhalb der Um-
gehungsstraße beleuchten sollten, waren außer Betrieb,
und der gesamte Streckenabschnitt lag im Dunkeln. Ein
Lieferwagen stand quer auf der Fahrbahn, mit einem
Rad auf dem Bürgersteig. Die Windschutzscheibe des
Wagens war zerbrochen, das Motorrad, das den Küh-
lergrill beim Zusammenprall eingedrückt hatte, lag in
der Nähe eines Hochspannungsmastes.
David runzelte die Stirn. Irgend etwas stimmte hier
nicht. Er sah die am Boden liegende dunkle Gestalt.
Wahrscheinlich der Motorradfahrer. Hinter der zersplit-
terten Windschutzscheibe entdeckte er den Fahrer des
Lieferwagens, der reglos hinter dem Steuer saß. Am
Bürgersteigrand hockte ein Mädchen, das sich den Kopf
hielt und unruhig hin und her schaukelte.
»Worauf wartest du noch?« fragte Roussel ungedul-
dig.
Nach einem letzten
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