Die Geier
küm-
mern ...«
Sirchos rieb sich die Nasenwurzel und schnitt eine
Grimasse, als litte er an einer Stirnhöhlenvereiterung.
»Ich habe ihn herbestellt, damit Sie ihm Ihre Anwei-
sungen geben können«, fuhr er fort. »Ich habe vollstes
Vertrauen in Sie, Doktor Zorski. Von nun an ist Ihr Le-
ben eng mit dem von Pamela verbunden.«
Zorski ärgerte sich über sich selbst, da er nicht sofort
begriffen hatte, daß dieses Angebot, dieser vielverspre-
chende Vorschlag, in Wirklichkeit eine schreckliche Be-
drohung war. Er war ganz einfach einen schlechten
Handel eingegangen, der sich mit einem einzigen Satz
zusammenfassen ließ: Wenn Pamela sterben würde,
würde ihr Mann auch Zorski zerstören.
Der Chirurg stellte sein leeres Glas wieder hin. Noch
hatte er nicht genug getrunken, um Sirchos die Stirn
bieten zu können. Dennoch wagte er sein Glück:
»Auch mit allem Geld dieser Welt können Sie sich
kein Leben erkaufen, Mister Sirchos. Wenn Gott ent-
schieden hat ...«
»Lassen Sie Gott aus dem Spiel!« brüllte Sirchos.
Er machte eine Handbewegung, als wollte er unsicht-
bare Insekten verscheuchen.
»Gott ist nur die Fessel der Unterwerfung«, dröhnte
der Milliardär. »Ein Ersatz für die geheimen Mühen der
Arbeiterklasse!«
Er beugte sich nach vorn. Sein Gesicht hatte einen
grauenvollen, alptraumhaften Ausdruck angenommen.
»Wir haben Gott erfunden! Verstehen Sie, was ich
meine, Doktor Zorski?«
Das Wort >Doktor< hatte er ganz deutlich mit einer
gewissen Verachtung ausgesprochen. Wenn Zorski sich
wirklich hundeelend fühlte, wenn ihm nach Kotzen
zumute war, dann pflegte er sich an jenen Tag im Mai
1980 zu erinnern, als er eine kleine achtjährige Kambo-
dschanerin in seinen Armen sterben sah. Während einer
ganz gewöhnlichen Operation, wie er sie bereits mehr
als tausendmal erfolgreich durchgeführt hatte. Zehn
Tage zuvor hatten die Eltern des Mädchens ihm ein Te-
legramm geschickt, einige verzweifelte Zeilen, auf die
er mit einigen wenigen Worten geantwortet hatte:
>Kommen Sie nach Philadelphia, ich werde Ihr Kind ko-
stenlos operieren!< Seinem Antwortschreiben hatte er
einen internationalen Scheck beigelegt, der dem Preis
der Flugreise entsprach. Acht Tage später wurde das
kleine Mädchen ins Hospital in Philadelphia eingelie-
fert, wo es kurze Zeit später auf dem Operationstisch
sterben sollte, ohne daß der berühmte Doktor Zorski ir-
gend etwas tun konnte, um es zu retten. Es war ein
ganz gewöhnlicher Eingriff gewesen, eine banale Ope-
ration. Zorski hatte alles versucht, alles unternommen,
um das Kind zu retten. Ohne Erfolg. Massagen, Adre-
nalin- und Digitoxinspritzen, künstliche Beatmung - al-
les vergeblich. Das Herz des kleinen Mädchens weigerte
sich, wieder mit dem Schlagen zu beginnen.
Das an jenem Tag anwesende Chirurgenteam glaub-
te, Zorski würde verrückt werden. Unaufhörlich ging er
im Operationssaal auf und ab, gab seltsame Jammertöne
von sich und fuchtelte mit den Armen um sich. Plötzlich
verließ er das Krankenhaus, stürzte in den Park, um-
klammerte einen Baumstamm, kniete am Boden nieder
und schrie beinahe fünf Minuten lang. Anschließend
kehrte er ins Krankenhaus zurück, benachrichtigte die
Eltern über den Tod ihrer Tochter und zog sich in einen
anderen Operationssaal zurück, um dort eine weitere
Herzoperation vorzunehmen.
In den darauffolgenden Wochen arbeitete Zorski wie
ein Wahnsinniger. Er operierte täglich beinahe fünfzehn
Stunden lang, eilte von einem Operationssaal in den
anderen, von einem Patienten zum anderen, ohne auch
nur ein einziges Wort mit jemandem zu sprechen. Bei
seinen Schülern machte er sich verhaßt, seine Assisten-
ten fühlten sich ungerecht behandelt. Er durchlebte die
schrecklichsten drei Monate seines Lebens; nachts hatte
er Angst einzuschlafen, um nicht von Alpträumen ge-
quält zu werden. Eine Krankenschwester schwor, ihn in
seinem Büro, in dem er sich zwischen zwei Operationen
einzuschließen pflegte, mehrmals weinen gesehen zu
haben.
Trotz seines Ehrgeizes und seines außerordentlichen
Engagements begriff Zorski, was Demut heißt. Damals
wurde er sich bewußt, daß weder Talent noch Geld ein
Leben retten kann, das dem Tod geweiht ist. Gewisse
Grenzen sind bekannt, andere bleiben im geheimen,
doch niemand darf sich rühmen, mit gleichen Waffen
gegen den Tod anzukämpfen. Und daran würde auch
Sirchos nichts ändern.
Die Sprechanlage rauschte und kündigte
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