Die Geier
beginnen. Als er auf dem
dritten Stockwerk ankam und immer noch nichts erfah-
ren hatte, wachte eine Etage tiefer das Mädchen mit
dem geflochtenen Haar auf und öffnete die Augen.
Sie richtete sich auf, streckte sich ausgiebig, schwang
sich aus dem Bett und streifte sich ein Paar Wollsocken
über. Morgens, vor allem am Tag nach einer Hasch- und
Liebesfete, holte sie sich leicht einen Schnupfen, wenn
sie barfuß in der Wohnung umherlief. Einen Moment
lang blieb sie reglos stehen, noch halb im Schlaf versun-
ken. Sie fühlte sich wirklich schlapp, und die vielen
Joints, die sie in der letzten Nacht geraucht hatte, hatten einen bitteren Geschmack im Mund zurückgelassen.
Dieser Zustand frühzeitiger Alterserscheinungen ent-
lockte ihr ein nervöses Lachen.
Ein starker Kaffee, eine erfrischende Dusche und eine
gute Stunde Morgengymnastik würden sie schon wie-
der auf die Beine bringen. Sie drehte sich um und
schaute den Jungen an, der in ihrem Bett lag, auf dem
Bauch, das Gesicht ins Kopfkissen gedrückt, und einen
Arm aus dem Bett hängen ließ. Welchen Kerl aus der
Clique hatte sie diesmal mit in ihre Wohnung gebracht?
Diese Gedächtnislücke ärgerte sie. Sie erinnerte sich
nicht einmal mehr an den Namen des Jungen, mit dem
sie die Nacht verbracht hatte! Verdammte Joints! Der
junge Mann brummte verschlafen und drehte sich auf
die andere Seite.
Mustapha Moussi, genannt Mouss. Pousse-Mousse
für die Kleinen. Allmählich erinnerte sich Sylvie an die
Geschehnisse vom Vorabend. Sie beobachtete weiter-
hin den ausgestreckten muskulösen Körper ihres
Freundes. Er war ein junger Regieassistent und vor drei
Monaten erst zu ihrer Clique gestoßen. Und er hatte
sich sogleich unsterblich in Sylvie verliebt. Vor einer
Woche hatten sie bereits miteinander geschlafen, was
Sylvie sehr gut gefallen hatte. An die letzte Nacht
konnte sie sich zwar nicht mehr genau erinnern, aber
ihr Körper sagte ihr, daß es erneut sehr schön gewesen
sein mußte. Doch Mustapha konnte nicht nur gut bum-
sen. Er war ein besonders hübscher, erstaunlich zärtli-
cher, ziemlich wohlhabender und sehr liebenswürdiger
junger Mann. Kurzum, er stellte die meisten von Sylvies
früheren Liebhabern bei weitem in den Schatten und
erniedrigte die männlichen Mitglieder der Clique zu
tölpelhaften Hengsten. Sylvie strahlte vor Glück. Es
war verdammt lange her, daß sie das letzte Mal neben
einem Mann aufgewacht war und nicht den Wunsch
hatte, ihn zum Fenster hinauszuwerfen.
Als sie sich erhob, um Kaffee zu machen, fiel ihr Blick
auf die Filmrolle, die auf dem Nachttisch lag ...
Armyan Simba war leicht wiederzuerkennen. Er war
ein Schwarzer, kahlköpfiger als eine Billardkugel, lief
ständig mit einem Walkman auf dem Kopf umher und
war beinahe zwei Meter fünfzehn groß. Außerdem trug
er stets einen tadellos weißen dreiteiligen Anzug. Ge-
nau der Typ, der nicht am Steuer seines Cadillacs durch
eine amerikanische Stadt fahren konnte, ohne ein hal-
bes dutzendmal von der Polizei angehalten zu werden.
Nur dank der Tatsache, daß er als Chirurg im Spital von
Philadelphia arbeitete, kam er immer wieder unbehelligt
davon. Sobald er sich auswies, hörten die Bullen unver-
züglich auf, ihn zu verprügeln oder zu fragen, in wel-
cher Straße seine Mädchen denn nun auf den Strich
gingen.
Seit zwei Jahren arbeitete Simba mit Mark Zorski zu-
sammen an dem Projekt der Kopfverpflanzungen. Auf
diesem Gebiet war äußerste Diskretion geboten. Man
wußte zwar, daß die Sowjets und die Chinesen sich ih-
rerseits mit dem Problem beschäftigten, doch Nachrich-
ten sickerten nur selten durch. Inoffiziell aber schienen
Simba und sein Hund Jeep, dem der schwarze Riese
den Kopf eines Schäferhundes verpflanzt hatte, den
Überlebensrekord innezuhalten. Jeep hatte genau sechs
Monate und drei Tage überlebt, bevor er innerhalb we-
niger Stunden von einer schrecklichen Abstoßungskrise
dahingerafft worden war. In diesem halben Jahr war
Simba keine Sekunde lang von Jeeps Seite gewichen.
Tag für Tag, Stunde für Stunde beobachtete er das
Verhalten des Hundes und hielt jedes Detail in end-
los langen Berichten fest, die Zorski aufmerksam stu-
dierte.
Den beiden Chirurgen war ganz genau bewußt, daß
die Wissenschaft sich in diesem Fall dem Phantasti-
schen annäherte. Vom ethischen Standpunkt her mußte
natürlich genau festgelegt werden, wer der Organspen-
der und wer der Organempfänger war. Jeep, der
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