Die Geier
>Pamela lebt«
»Das heißt, daß wir Alexander Sirchos' Kredite und
seine Bürgschaft in der Tasche haben. Sein ganzer
Reichtum steht uns zur Verfügung.«
Einen Augenblick lang war Simba wie vor den Kopf
geschlagen. Mit offenem Mund stand er da, bevor er
schließlich leise durch die Zähne pfiff, in die Hände
klatschte, wie ein kleines Kind zu kreischen begann und
in die Luft sprang.
»Du hast es geschafft! Donnerwetter, Junge, ich
werde wahnsinnig, du hast es geschafft!«
Er faßte sich mit beiden Händen an den Kopf.
»Ich kann es einfach nicht glauben! Endlich können
wir loslegen.«
Abgesehen von dem Geld, das die beiden Mediziner
benötigten, wußten sie auch, daß sie nichts unterneh-
men konnten ohne die Bürgschaft der Sirchos Aerospace
Corporation, die inoffiziell auch noch zehn der fünfzehn größten amerikanischen Banken kontrollierte und
vor allem die einzige amerikanische Sammlergewerk-
schaft unterstützte ...
Ohne die A.S.G. hätte alles Geld der Welt ihnen
nichts genützt. Und das alles würde Sirchos ihnen zur
Verfügung stellen, solange seine Frau lebte.
In dem Moment, als die beiden Männer die Flugha-
fenhalle verließen, begannen die Polizisten sich erneut
ernstlich für den schwarzen Riesen zu interessieren.
Völlig reglos stand der Milliardär hinter dem Einweg-
spiegel. Sein eiserner Blick war auf das Bett seiner Frau
gerichtet. Pamela schlief. Die langen dichten Haare brei-
teten sich auf dem Kopfkissen aus. Die nackten Arme
waren durch zwei lange durchsichtige Schläuche mit
den Flaschen verbunden, die am Kopfende des Bettes
befestigt waren. Ein anderes Kabel war am Elektrokar-
diogramm angeschlossen, dessen grünliche Linie sich
regelmäßig auf und ab bewegte.
Hugo Russel hatte eine Sauerstoffkanüle in Pamelas
Kehle eingeführt. Er wollte nicht das geringste Risiko
eingehen. Er wußte, daß nach einer Operation am offe-
nen Herzen die Gefahr eines Krampfes bestand. Ein ge-
heimnisvolles Phänomen, das zu einer völligen Läh-
mung des Herzens führte, ohne daß ein Chirurg irgend
etwas dagegen unternehmen konnte. Das nannte man
>Herz aus Stein<, und niemand wußte Genaueres dar-
über. Wenn dieser zum Glück sehr seltene Fluch über
Pamela kommen würde, wäre der Chirurg nicht im-
stande, sie zu retten. Aber Russel wollte nicht, daß sie
stürbe, bevor Sirchos endlich eingesehen hätte, daß er
wirklich alles unternommen hatte, um das zu verhin-
dern. Um diesen jähen Tod auszuschließen, hatte er be-
schlossen, auf das Sauerstoffgerät zurückzugreifen, das
sich bei der geringsten Herzschwäche sofort einschalten
würde.
Er verging buchstäblich vor Angst. Alexander Sirchos
stand hinter ihm und sah ihm dabei zu, wie er mit die-
sen Apparaten am Kopfende von Pamelas Bett hantier-
te.
Eine Spur von Verachtung lag im Blick des Milliar-
därs. Er wandte sich ab und ging mit großen Schritten
davon. Eine Sekretärin holte ihn mit schnellen Schritten
ein.
»Monsieur Sirchos!«
Der Milliardär ging merklich langsamer. Die junge
Frau auf ihren unglaublich hohen Absätzen war völlig
außer Atem. Ihre Pumps klapperten auf dem Fliesenbo-
den.
»Die neuen Räumlichkeiten in Genf sind fertig«,
keuchte sie und drückte den Ordner fest an ihre Brust.
»Gut«, sagte Sirchos leicht zerstreut, so als würde
diese Angelegenheit ihn nicht im geringsten interessie-
ren.
»Soll ich Doktor Zorski nicht benachrichtigen?« wun-
derte sich das Mädchen.
Sirchos blieb stehen und schaute seine Sekretärin an.
»Sie unternehmen nichts, wozu ich Sie nicht beauf-
tragt habe«, brummte er schroff. »Wie heißen Sie?«
Das Mädchen wurde ganz rot im Gesicht.
»Vanessa Belon«, murmelte sie.
»Vanessa Belon«, wiederholte Sirchos nachdenklich.
»Und wo arbeiteten Sie, bevor ich Sie engagiert habe?
Als Striptease-Tänzerin in einer Bar in Detroit?«
Die Sekretärin wurde knallrot im Gesicht.
Sirchos wandte sich ab und schloß sich in sein Büro
ein.
Zehntes Kapitel
Sylvie näherte sich dem Nachttisch und starrte die Film-
rolle an, als handelte es sich um ein ekelhaftes Tier. Vorsichtig nahm sie die Rolle zwischen Daumen und Zeige-
finger und drehte sie langsam zwischen den Fingern hin
und her. Angesichts der Erinnerungsfetzen aus der letz-
ten Nacht und des sie umhüllenden Nebels hatte Sylvie
größte Mühe, die einzelnen Puzzlestücke wieder zu-
sammenzusetzen. Wie kam dieses Ding auf ihren
Nachttisch?
Sie erinnerte
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