Die Geier
könnte das doch auch alles getan haben,
ohne Ihnen Bescheid zu sagen«, erwiderte Mescard.
»Bestimmt schickte sie Ihnen doch nicht jedesmal ein
Telegramm, wenn sie einen neuen Stuhl kaufte, oder?«
»Ihre Möbel waren so gut wie neu«, protestierte der
junge Mann. »Und den Teppich haben wir erst letzten
Monat zusammen mit Freunden gelegt.«
Mescard wandte sich an einen seiner Kollegen.
»Wem gehörte der Wagen?«
»Er war geklaut.«
»Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, daß Sylvie ein
Auto geklaut haben soll«, meinte der junge Mann und
zuckte mit den Schultern. »Das ist doch wirklich lächer-
lich ...«
Außer Mescard, der nach einem Aschenbecher such-
te, schauten alle Polizisten ihn an.
»Nahm sie Rauschgift?« fragte der Inspektor zerstreut
und ließ die Asche auf den Fußboden fallen.
»Wie bitte?« schluckte der junge Mann.
»Haschte sie? Spritzte sie?«
Der junge Mann wurde feuerrot im Gesicht.
»Bestimmt nicht.«
»Woher wollen Sie das wissen? Sie schliefen doch
kaum noch mit ihr und sagen doch selbst, daß sie de-
pressiv zu sein schien. Vielleicht ging sie sogar auf den
Strich, um sich Stoff kaufen zu können ...«
»Sind Sie wahnsinnig?« schrie der junge Mann.
Einer der Polizisten gluckste leise.
»Was glauben Sie denn, was passiert ist?« fragte Mes-
card ungeduldig. »Daß jemand das Mädchen entführt,
es in einen gestohlenen Wagen gesetzt und gegen einen
Baum krachen gelassen hat, um anschließend hierher
zurückzukommen und die Möbel und den Teppich aus-
zuwechseln? Ich weiß sehr wohl, wie schwierig es heut-
zutage ist, eine Wohnung zu finden, aber trotzdem ...«
Der junge Mann war ganz verwirrt.
»Wie heißen Sie?« fragte der Inspektor.
»Carron. Serge Carron«, stotterte der junge Mann.
»Und Sie liebten diese ... diese ...«
Er wandte sich an einen Kollegen.
»Wie hieß sie noch gleich?«
»Sylvie Vercauteren.«
»Und Sie liebten diese Sylvie Vercauteren, Monsieur
Carron?«
»Nun ja ... nein«, stammelte der Freund. »Ich meine,
ich mochte sie, sie war eine gute Freundin ...«
»Aber es wäre Ihnen lieber gewesen, wenn sie nicht
mit jedem ins Bett gegangen wäre?«
»Sylvie war eine emanzipierte Frau«, antwortete Car-
ron mit zusammengebissenen Lippen. »Sie tat das, was
sie für richtig hielt.«
Mescard lächelte. Dann begann er, mit den Händen
auf dem Rücken im Zimmer auf und ab zu gehen. Er-
staunt beobachteten die Polizisten ihn. Plötzlich blieb er vor einem von ihnen stehen und fragte:
»Hat in diesem Haus nicht vor kurzem ein Journalist
Selbstmord begangen, in der Nacht der Manifestationen
in Bercy?«
Neunzehntes Kapitel
Bereits zum dritten Mal innerhalb von zwei Minuten
wiederholte Goldman, daß Milan sich um die Sache
kümmerte und er keine anderen Anweisungen gegeben
hatte, als die These des Unfalls offiziell zu bestätigen
und sich der Leiche von Sylvie Vercauteren anzunehmen.
Steve Odds konnte nicht mehr ruhig auf seinem Stuhl
sitzen. Er bewegte die gewaltige Fettmasse, die dicken
Backen und den angeschwollenen Hals durch das Büro
und schnaubte dabei wie ein Stier im Zwinger. Gold-
man hüttete sich vor dem Hinweis, daß der Chef selbst
Milan auf diesen Fall angesetzt hatte und er zwangsläu-
fig hätte wissen müssen, daß dieser Kerl unberechenbar
war, sobald man ihn mit einer offiziösen Mission be-
traute. Milan auf einen solch verworrenen Fall anzuset-
zen, hieß nach Goldmans Ansicht soviel, wie einen mit
Nitroglyzerin vollgeladenen Lastwagen auf eine mit
Wellblech ausgelegte Strecke zu schicken. Mit ernstli-
chen Problemen mußte gerechnet werden.
»Er könnte zumindest anrufen, verdammt noch mal!«
brüllte Odds in seltsam weinerlichem Ton. »Mir sagen,
wie's steht.«
Beinahe hilflos wandte er sich Goldman zu, so als su-
che er Unterstützung.
»Da Sie die Adresse dieses verfluchten Arabers ken-
nen, sollte man vielleicht eine Mannschaft hinschik-
ken.«
Goldman, der von der Vorstellung, die Verantwor-
tung für eine solche Operation übernehmen zu müssen,
nicht sonderlich begeistert war, fand die richtige Ant-
wort.
»Milan kennt sich aus mit solchen Jobs. Wir würden
ihm nur im Weg stehen.«
Odds fluchte.
»Aber warum ruft dieser Idiot nicht an?« wiederholte
er und setzte sich an seinen Schreibtisch zurück.
Er quetschte seine Fettwülste zwischen die Sesselleh-
nen, öffnete eine Schublade und nahm ein Spraydös-
chen hervor, mit dem er sich zweimal kräftig in
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