Die Geier
Kind. Vor einem Kind
wirst du doch keinen Schiß haben.«
»Ein Kind, das mit seinem verfluchten Blasrohr eine
Hornisse im Flug abschießen kann?« entgegnete Milan.
»Suchst du Streit, Idiot?«
Nervös biß Trois-Pommes sich auf die bläulichen Lip-
pen.
»Du sollst mich nicht mehr Idiot nennen!« tobte er
und zeigte seine gelben Zähne.
Überrascht runzelte Milan die Stirn.
»Schau an! Man könnte meinen, du hättest die Nach-
folge dieser Fettsau namens Bismark bereits angetre-
ten!«
»Vielleicht! Ich bin gekommen, um zu erfahren, was
du vorhast. In der Zone wird behauptet, du seist der
neue Chef der Bande. Wenn das der Fall ist, dann
komm ins Dreieck. Dort wird's sich dann entscheiden.«
»Hör zu, Trois-Pommes«, seufzte Milan. »Ich überlaß
dir deine Apachen, deine idiotischen Zweikämpfe und
die ganze verfluchte Zone. Aber laß meine Brüder in
Frieden. Andernfalls zerdrücke ich dich mit den Stiefel-
absätzen im Schlamm. Kapiert? Du befiehlst, du kas-
sierst, du fickst, wen du willst, aber wenn ich dich und
deine Männer brauche, bist du für mich da. Und zwar
gratis. Okay?«
Der Liliputaner zögerte. In seiner Bösartigkeit be-
hauptete er, niemanden zu fürchten. Auch er hatte Bis-
mark längst umlegen wollen. Aber mit Milan war das
trotzdem etwas anderes. Niemand konnte von sich be-
haupten, den Sammler jemals in die Knie gezwungen
zu haben.
»Wieso gratis?« knurrte Trois-Pommes. »Bisher hast
du die Apachen doch stets für ihre Arbeit bezahlt!«
Milans Gesicht erstarrte. Unmerklich hatte der Lilipu-
taner sich ihm genähert. Er stand jetzt nur mehr drei
oder vier Meter von ihm entfernt. Eine zu geringe Di-
stanz, um zu überleben.
»Noch ein Schritt, und du liegst flach!« zischte der
Sammler.
Der Zwerg wich zurück und hob die Hände hoch.
»Schon gut, Geier!« grinste er. »Nur keine Aufre-
gung. Es gibt keinen Grund, warum wir uns streiten
sollten, du und ich. Wenn du mir die Zone überläßt, be-
kommst du, was du verlangst. Brauchst nur zu fragen.
Also, schließen wir Frieden?«
Ein verächtliches Zucken bewegte Milans Lippen.
»Um Frieden zu schließen, braucht man einen Geg-
ner. Ich habe keinen Gegner, Idiot. Denjenigen, die es
werden wollen, ergeht es wie Bismark. Sie enden im
Schlamm, wie eine brünstige Sau. Ich bin die number
one, kapiert?«
Er streckte ihm den Mittelfinger entgegen.
»Schütz deinen verfluchten Arsch vor der Familie
Milan, wenn du Karriere machen willst«, sagte der
Sammler schließlich.
Milan wagte es, sich umzudrehen und zum Eingang
des Schrottplatzes zurückzugehen. Die Chancen, im
nächsten Moment zu sterben, standen fünfzig zu fünf-
zig.
Zehn Minuten später lebte Milan immer noch und
schlürfte Schluck für Schluck eine Tasse bitteren Kaf-
fee.
Während es in der Gegenüberstellung von Milan und
Trois-Pommes wenigstens noch einen Funken Respekt
gab, waren die Diskussionen zwischen Steve Odds und
David Toland einzig und allein durch heftige Feindse-
ligkeit und Verachtung geprägt.
Dabei gab Odds sich sichtlich Mühe, sich seinen
Triumph nicht anmerken zu lassen. Er jubelte, strahlte
vor Freude in seinem Sessel. So lange hatte er auf die-
sen Augenblick gewartet, auf den Tag, da er Toland in
der Hand halten, da Toland zu ihm kommen und ihn
um eine Anstellung bitten würde, daß er nun beinahe
vergaß, daß es auch noch einen gewissen Mustapha
Moussi gab, einen blutigen Anfänger in Sachen Erpres-
sung. Er mußte wohl eingestehen, daß Milan die un-
glaubliche Fähigkeit besaß, bei allem, was er unter-
nahm, Erfolg zu haben. Er hatte ihm Toland verspro-
chen, und nun stand Toland vor ihm.
Er öffnete eine Zigarrenkiste und hielt sie dem Samm-
ler hin.
»Rauchen Sie?«
»Nein.«
Odds räusperte sich. Tolands Arroganz und Stolz
verdarben ihm merklich die Freude. Er neigte den Kopf
leicht zur Seite und gab sich schmerzlich betrübt.
»Wenn Sie nur zwei oder drei Wochen früher ge-
kommen wären«, murmelte er. »Ich hatte neues Mate-
rial bekommen, eine Superausrüstung, und ich
brauchte neue Männer. Nach drei Tagen und sehr
strenger Auswahl hatte ich eine komplette Mannschaft
beisammen. Im Moment sucht jeder nach Arbeit.«
Er stieß einen unerträglichen Seufzer aus.
»Das war vor drei Wochen, ja, aber heute . . . Es sei denn ...«
Toland konnte sich kaum noch beherrschen. Natür-
lich hatte er mit solchen Demütigungen gerechnet.
»Es sei denn?«
»Alle meine Wagen
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