Die Geier
man nicht.«
Der Raucher lächelte spöttisch.
»In einer Zeitschrift habe ich allerdings gelesen, wenn
ich mich recht erinnere, daß Ihre Experimente sehr oft
vom Zufall abhängen.«
Der Chirurg warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
Der Champagner kam genau im richtigen Moment auf
den Tisch, um die Atmosphäre erneut zu entspannen.
Als die Spieler gerade anstoßen wollten, klingelte das
Telefon.
Der Dicke hob ab und wandte sich an Zorski.
»Es ist für Sie.«
Zorski runzelte die Stirn und ergriff den Hörer. Kurze
Zeit hörte der Chirurg aufmerksam zu, dann wurde er
plötzlich aschgrau im Gesicht und ließ sein Sektglas fal-
len, das am Boden zerschellte.
Der Polizist am anderen Ende der Leitung teilte ihm
mit, daß man Simba und seine Familie ermordet hatte.
Als Inspektor Mescard die Wohnung betrat, glaubten
alle anwesenden Polizisten zunächst, er hätte sich auf
der Etage geirrt und würde nach einer kurzen Entschul-
digung gleich wieder hinausgehen. Mescard jedoch zog
lediglich die Nase hoch und schaute sich um.
»Worum geht's?« knurrte er.
Ein Polizist deutete auf einen jungen Mann, der etwas
abseits von der Gruppe stand.
»Dieser junge Mann behauptet, seine Freundin sei
verschwunden.«
Mescard runzelte die Stirn.
»Na und?« fragte er mürrisch. »Ich nehme an, er hat
auf der Polizeiwache eine Vermißtenanzeige aufgege-
ben. Was haben wir damit zu tun?«
Der Polizist kratzte sich am Hinterkopf.
»Nun ja ...«, sagte er zögernd. »Die Sache ist etwas
komplizierter. Er behauptet ebenfalls, über Nacht seien
ihre sämtlichen Möbel ausgetauscht worden.«
Mescard blickte auf seine Armbanduhr.
»Also handelt es sich um einen Umzug und nicht
um ein Verschwinden«, meinte er und gähnte ge-
langweilt.
»Das Mädchen haben wir jedenfalls gefunden«, fügte
der Polizist hinzu.
Mescard riß die Augen auf.
»Und wo ist sie?«
»Die Sammler haben sich ihrer angenommen«, flü-
sterte der Polizist und schaute zur Seite. »Wir haben sie
heute morgen am Steuer ihres Wagens gefunden. Ge-
gen einen Baum gerast. War nicht besonders schön an-
zusehen.«
»Sylvie hat nie einen Führerschein besessen«, erklärte
der junge Mann. »Und sie hatte auch keine Lust, das
nachzuholen. Sie haßte Autos.«
Mescard klopfte die Taschen seines Dufflecoats ab.
»Hat jemand eine Zigarette für mich?«
Einer der Polizisten reichte ihm sein Päckchen.
»Ich will nämlich mit dem Rauchen aufhören«, er-
klärte Mescard und steckte sich die Zigarette in den
Mund. »Deshalb kaufe ich mir keine mehr, aber es ist
nicht so einfach.«
Der Polizist gab ihm Feuer. Mescard nahm einen Zug,
hustete und wandte sich an den jungen Mann.
»Wohnten Sie und das Mädchen zusammen?«
Die Frage schien dem jungen Mann ein wenig pein-
lich zu sein.
»Nein, nicht wirklich. Wir sahen uns nur von Zeit zu
Zeit ...«
Mescard nickte und betrachtete die Zigarette, wobei
er die Nase rümpfte.
»Verdammt, schmeckt scheußlich!« fluchte er. »Sahen
Sie sie mehrmals die Woche?«
»Am Anfang schon. Aber dann sahen wir uns immer
seltener. Natürlich trafen wir uns immer mit den ande-
ren, nachmittags . . . «
»Mit den anderen?«
»Nun, mit den Freunden aus der Clique. Wir treffen
uns in Saint-Germain. Wir diskutieren, gehen ins Kino,
Sie verstehen?«
»Ich verstehe«, antwortete Mescard, zutiefst ange-
ekelt. »Und mit dem Mädchen lief nichts mehr?«
Der junge Mann zuckte mit den Schultern.
»Sicher ist jedenfalls, daß sie mit jedem ins Bett ging«,
murmelte er.
Mescard zog die Nase hoch und klopfte sich auf die
Nasenflügel.
»Mit jedem, aber nicht mehr mit Ihnen?«
»Vor einigen Wochen haben wir es erneut miteinan-
der versucht. Sie war ziemlich deprimiert. Ich glaube,
ihr Freund hatte sie sitzenlassen.«
»Und wann waren Sie das letzte Mal hier in dieser
Wohnung?«
»Vorgestern.«
»Sind Sie die ganze Nacht geblieben?«
Der junge Mann zögerte.
»Nein.«
»Und heute morgen sind Sie wieder hergekommen?«
»Ja, ich sollte ihren Schlüssel zurückbringen.«
»Und da waren es nicht mehr die gleichen Möbel?«
seufzte Mescard, den die ganze Geschichte nicht im ge-
ringsten zu interessieren schien.
»Das Bett, der Schrank und der Schreibtisch sind neu.
Die Sessel ebenfalls. Der Teppich ist entfernt und der
Fußboden ist gereinigt worden.«
Er sah sich um, als fürchtete er, irgend etwas verges-
sen zu haben.
»Einfach unglaublich ...«, sagte er schließlich.
»Aber sie
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