Die Geier
interessierten
sich auf einmal wieder für das Spiel. Der Fall schien al-
len klar zu sein. Zorski, der bereits viel Geld verloren
hatte, setzte alles auf eine Karte, um die tausend Dollar
und den verhältnismäßig hohen Einsatz zu gewinnen.
Er bluffte.
Dennoch zögerte sein Gegenspieler einige Sekunden
lang. Es ging um viel Geld. Wenn er gleichzog, um sich
die Karten aufdecken zu lassen, und das Spiel verlor,
würden ihm zusammengerechnet zweitausendfünf-
hundert Dollar durch die Lappen gehen. Wenn er er-
höhte und das Spiel gewann, könnte er ein nettes
Sümmchen einstecken, doch dann würde man ihm den
Vorwurf machen, seine wahre Chance nicht genutzt zu
haben: die Gelegenheit nämlich, Zorski im richtigen
Moment in größte Verlegenheit zu bringen.
Mit zögernder Hand schob er seinen Einsatz neben
den Haufen der übrigen glänzenden Jetons.
»Ihre dreitausend«, sagte er, »und sechstausendfünf-
hundert dazu!«
Zorski wandte sich zu dem dicken Mann um, der
abseits vom Tisch saß und in eine Zeitung vertieft war.
»Vorschuß?«
Der Fettleibige begnügte sich mit einem Kopfnicken.
»Und viertausend«, flüsterte Zorski.
Sechsundzwanzigtausendeinhundert Dollar lagen in
der Mitte des grünen Teppichs. Der Gegner begann zu
schwitzen. Einen Moment lang verlor er die Beherr-
schung.
»Man erzählt, Sie wären ein guter Freund von Alex-
ander Sirchos«, spottete er.
Unverzüglich bedauerte er diesen Ausrutscher. Sicht-
lich überrascht schauten die anderen Spieler ihn an.
»Ich erhöhe um viertausend«, antwortete der Chir-
urg.
»Ich bin pleite«, knurrte sein Gegner und wischte sich
die Stirn mit einem strahlendblauen Taschentuch ab.
»Wurde zu Beginn des Spiels nicht gesagt, der Spiel-
einsatz sei unbegrenzt?« fragte Zorski erstaunt. »Sie ha-
ben kein Wort gesagt, als ich vorhin um einen Vorschuß
bat, um mithalten zu können.«
Der Feind gab ein seltsames Knurren von sich, griff in
seine Jackentasche und legte ein Scheckbuch auf den
Tisch.
»Nun bin ich wieder flüssig«, fügte er mit überhebli-
cher Stimme hinzu. »Paßt das Ihnen?«
»Nein, Bargeld ist mir lieber«, entgegnete Zorski ohne
Zögern.
Ein triumphierendes Lächeln erhellte das glänzende
Gesicht seines Gegenübers.
»Das dachte ich mir!« schrie er. »Sie bluffen, Zorski!
Sie sitzen in der Falle!«
Er wandte sich an den dicken Mann.
»Vorschuß?«
Der Fettleibige senkte seine Zeitung.
»Wieviel?«
»Ihn hast du vorhin nicht gefragt, wieviel!« brüllte der
Spieler.
Der Dicke blieb unerbittlich.
»Ich will dieses Blatt sehen!« schrie der Spieler. »Ein
Scheck über viertausendzwei für viertausend Dollar,
okay?«
Der Dicke nickte und vertiefte sich erneut in seine
Zeitung.
»Ich will's sehen, Zorski!« grinste der Spieler.
Ohne sich die geringste Erregung anmerken zu las-
sen, deckte der Chirurg seinen Straight Flush auf. Sein
Gegner verzog das Gesicht. Seine Wangen begannen zu
zittern, so als würden sie von innen bewegt. Voller Be-
wunderung schauten die anderen Spieler Zorski an. Er
hatte alle an der Nase herumgeführt. Zum Glück war
nur einer von ihnen in diese prächtige Falle gegan-
gen.
»Warum ... warum haben Sie meinen Scheck abge-
lehnt?« stammelte der unglückliche Verlierer.
»Taktik«, antwortete Zorski und raffte die Jetons zu-
sammen.
Wütend erhob sich der Spieler.
»Genug für heute. Salut!«
Er unterzeichnete dem dicken Mann einen Scheck
über viertausendzweihundert Dollar und verließ den
Raum.
Einer der anderen Spieler seufzte und zündete sich
eine Zigarre an. Er blies eine schwere Rauchwolke zu
den Neonlampen empor.
»Ich schlage vor, das Spiel nach einem solchen Streich
zu beenden«, erklärte er wichtigtuerisch.
Damit waren alle einverstanden. Der dicke Mann er-
hob sich, ging nach wie vor unerbittlich zu der kleinen,
in eine Ecke des Raums eingefaßten Minibar und
tauchte eine Flasche Champagner in einen Eiskübel.
»Sie sind ein fabelhafter Spieler, Zorski«, sagte der
Zigarrenraucher. »Sie haben uns alle geblufft. Ehrlich,
ich war felsenfest davon überzeugt, Sie hätten nichts in
der Hand.«
Mit einem Kopfnicken bestätigten die anderen seine
Worte.
»Ich nehme an«, fuhr der Raucher fort, »Ihr Beruf hilft
Ihnen, sich besser zu konzentrieren.«
Höflich schüttelte Zorski den Kopf.
»Sie irren sich. Medizin hat mit Poker nichts zu tun.
Die Medizin ist eine exakte Wissenschaft. Mit dem Le-
ben der Menschen spielt
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