Die Geier
Scheißkerls namens Bismark
werden, und wenn er mich heute umbringt, bist du
morgen ebenfalls tot, erstochen und über das ganze
Gebiet verstreut.«
Mit der freien Hand ergriff Milan den 22er Long Rifle
Karabiner.
»Hier, nimm und versteck dich in der Nähe des Che-
vrolets! Wenn Trois-Pommes Dummheiten macht, jagst
du ihm eine Kugel zwischen die Augen.«
»Soll ich nicht lieber die Pumpaction nehmen?« fragte
Vito erstaunt.
Bestürzt schüttelte Milan den Kopf.
»Ich werde Ma eines Tages doch fragen müssen, ob
du tatsächlich mein Bruder bist«, seufzte Milan. »Eine
Pumpaction ... Dann kannst du auch gleich mit einer
Granate nach uns werfen!«
Der Sammler drückte seinem Bruder den Karabiner in
die Hand, stieß die Tür des Wohnwagens auf, zog seine
Lederhose kurz hoch und sprang hinaus in den
Schlamm.
In einiger Entfernung steckte Stefan gerade einen
Haufen alter Autoreifen in Brand. Fasziniert lächelnd
beobachtete er die schwarzen Rauchwolken, die ein
launischer Wind nach unten drückte.
»Stef!« brüllte Milan.
Entzückt drehte der dicke Mongoloide sich zu seinem
großen Bruder um.
»Schau dir dieses schöne Feuer an! Schau dir dieses
schöne Feuer an!«
»Ich habe dir schon hundertmal gesagt, daß du keine
Reifen verbrennen sollst, wenn der Wind nach Süden
weht!« schimpfte Milan.
Verwirrung trat auf Stefans pausbäckiges Gesicht.
Milan runzelte die Stirn.
»Wo ist Ma?«
»Sie ist wieder zum Unterernährten gefahren«,
stammelte Stefan verlegen.
Milan spuckte kräftig zwischen seine Stiefel und
schritt zum Eingang des Schrottplatzes.
»Scheiße!« fluchte er leise vor sich hin.
Trois-Pommes erwartete ihn am Straßenrand; mit ge-
kreuzten Armen lehnte er an einer Platane. Er hatte sich
einen grünen Strich auf seinen kahlen Kopf gemalt und
sah noch häßlicher aus als sonst. Mit einem kurzen Blick
schätzte Milan die Entfernung zwischen dem Chevro-
let-Wrack und dem Zwerg ab. Wenn Vito von der Sau-
ferei am Vorabend nicht mehr allzu sehr benebelt wäre,
könnte er ohne allzu große Schwierigkeit genau ins Ziel
treffen.
»Will dein kleiner Bruder die ganze Stadt einräu-
chern?« grinste der Zwerg, schürzte die Lippen und
zeigte seine schrecklich gelben Zähne.
»Was willst du?« fragte der Sammler schroff.
»Ich bin Verwalter einer Erbschaft geworden, wenn
du verstehst, was ich meine«, gluckste Trois-Pommes
und entfernte sich einige Schritte vom Baum.
»Nein, versteh ich nicht.«
Der Zwerg lachte, wobei er den Kopf auf eine komi-
sche Weise zur Seite neigte.
»Dann werde ich's dir erklären«, sagte er schließlich.
»Aber zuerst sagst du deinem Bruder, daß er sich eine
andere Zielscheibe suchen soll als meinen Kopf!«
Milan seufzte. Natürlich hatte Trois-Pommes, Bis-
marks ehemaliger Leutnant, der geborene Unruhestif-
ter, in der Zone nicht mit einer seiner Körpergröße ent-
sprechenden Intelligenz überleben können. Was ihm an
Zentimetern fehlte, machte er durch Grips spielend
wieder wett.
»Man hat mir erzählt, du seist sehr nachtragend«,
sagte Milan. »Also wirst du verstehen, daß man zumin-
dest vorsichtig ist.«
Trois-Pommes zuckte mit den Schultern. Nach wie
vor lag ein spöttisches Lächeln auf seinen blaßblau ge-
färbten Lippen.
»Dann hat man dir Dummheiten erzählt«, grinste der
Liliputaner.
Milan blieb mißtrauisch. Kurz blickte er sich nach al-
len Seiten um. Vermutlich war Trois-Pommes nicht al-
lein gekommen. Aber wo zum Teufel hielten sich die
anderen versteckt?
»Cool, Mann, cool!« lachte Trois-Pommes. »Wenn ich dich hätte umlegen wollen, wäre das schon längst geschehen.«
Plötzlich wurde er wieder ernst und schaute ganz
finster drein. Milan blieb vorsichtig.
»Da du Bismark kalt gemacht hast, willst du bestimmt
seinen Platz einnehmen, oder? Du willst das Dreieck
haben?«
Milan schüttelte den Kopf.
»Idiot, das Dreieck ist mir doch scheißegal. Wenn die
anderen damit einverstanden sind, dann nimm es dir,
los, tu dir keinen Zwang an!«
Der Liliputaner schien nicht sogleich zu begreifen.
»Warum hast du Bismark dann umgelegt? Was geht
in deinem verfluchten Kopf vor?«
Auf der anderen Straßenseite tauchte plötzlich Ran-
ky, der Dreckige, hinter einem Baum auf und zündete
sich in aller Ruhe eine Zigarette an, ohne den Sammler
aus den Augen zu lassen.
»Was hat denn der hier verloren?« knurrte Milan wü-
tend.
Trois-Pommes drehte sich zu Ranky um.
»Der da? Ist doch noch ein
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