Die Geier
ich
mir die Mühe gäbe, so bliebe es doch eine Gewohnheit,
die ich sogleich wieder annehmen würde, wenn dies al-
les hier einmal vorbei sein wird. Junggesellen haben
keine Schränke voller Servietten.«
Pamela schaute ihn mit seltsamer Miene an.
»Ich wollte Sie nicht kränken«, flüsterte sie.
Eine winzig kleine Sekunde lang glaubte Russel, die
sagenhafte Liebenswürdigkeit der wahren Pamela in ih-
ren Augen aufleuchten zu sehen.
»Es ist nicht weiter schlimm«, antwortete er ziemlich
dämlich.
Seine Stimme zitterte ein wenig. Pamela schien im-
mer neugieriger zu werden.
»Sie können es also kaum erwarten, daß dies alles
hier, wie Sie sagen, vorbei sein wird?« fragte sie.
Russel vertiefte sich in die Betrachtung des Schach-
spiels. Er war verwirrt und spürte, wie ungeschickt und
dumm er sich benahm. Doch von diesen lähmenden
Gefühlen einmal abgesehen, fragte er sich, ob Pamela
sich nicht ganz einfach auf seine Kosten amüsierte.
»Ich muß gestehen, daß ich lieber woanders wäre«,
sagte er entschlossen und bedauerte seine Worte be-
reits, kaum daß er sie ausgesprochen hatte.
Erstaunt hob Pamela die Augenbrauen.
»Und warum haben Sie das Alexander nicht längst
gesagt?« fragte sie. »Sie sind in diesem Land doch nicht
der einzige Arzt, der fähig ist, meine Genesung zu
überwachen. Haben Sie etwa Angst vor seiner Reak-
tion?«
»Vor seiner Reaktion?« wiederholte Russel.
»Man behauptet, Alexander könnte Leuten, die ihm
etwas verweigern, nur schwerlich verzeihen«, sagte
Pamela.
Russels Mund verkrampfte sich.
»Was soll er mir denn noch Schlimmeres antun?«
knurrte er. »Gestern noch war ich einer der besten Chir-
urgen in ganz Florida. Und heute verbringe ich meine
Zeit damit, Ihren Herzrhythmus zu überwachen, Ihnen
den Blutdruck zu messen und Ihre Urinproben zu ana-
lysieren! Glauben Sie wirklich, daß er mir noch Schlim-
meres antun kann?«
Plötzlich erhob er sich.
»Und überdies habe ich Ihren Mann im Verdacht,
meine Gefühle für Sie längst erraten zu haben!« brüllte
er wirklich wütend.
In seiner Verärgerung warf er die Königin um, die am
Boden zerschellte.
Einen Augenblick lang betrachtete Pamela die Kri-
stallscherben.
»Dieses Spiel hat ein Vermögen gekostet«, murmelte
sie.
»Keine Sorge!« knurrte Russel. »Ich werde dafür auf-
kommen. Ich werde für meine Arbeit hier nämlich au-
ßergewöhnlich gut bezahlt.«
Rasch durchquerte er das Zimmer und schlug die Tür
hinter sich zu.
Einige Minuten später saß er am fluoreszierenden
Schwimmbecken, rauchte eine Zigarette und fragte sich,
ob ein solches Gebaren wirklich dazu angetan sei, Pa-
mela zu heilen. Als er die von einer leichten Brise sanft
hin und her bewegten Wasserwellen anstarrte, ver-
spürte er nur mehr ein einziges Verlangen, einen aller-
letzten Wunsch: sich in diesem Swimmingpool das Le-
ben zu nehmen ...
Nachdem Mouss bislang stets fest davon überzeugt ge-
wesen war, eine perfekte Partie geliefert zu haben,
stellte er nun plötzlich einen ersten Fehler in seiner Of-
fensivtaktik fest. Einen offenkundigen, derart groben
Fehler, daß er plötzlich ernsthaft an sich selbst zweifel-
te. Wie hatte er bloß einen derart dummen Fehler bege-
hen können? Die Beweise seiner Schuld zurückzulas-
sen, obwohl er seine Feinde doch für fähig hielt, ihn
ausfindig zu machen? All diese Fotovergrößerungen an
den Wänden, die Originalunterlagen ... entsetzlich ...
Mouss war wie zerschlagen. Erst nach einigen Minuten
faßte er sich wieder und kam zu der Einsicht, daß es be-
stimmt noch nicht zu spät war, diese dumme Panne
wieder wettzumachen.
Obwohl er sich bemühte, sich wieder zu beruhigen,
pochte sein Herz merkwürdigerweise wie wild, als er
den Schlüssel ins Schloß seiner Wohnungstür steckte.
Er hatte noch einmal lange gezögert, ehe er beschloß,
das Gebäude zu betreten. Er war einige Minuten lang
im Viertel herumspaziert, die Straße mehrmals auf und
ab gegangen ... Alles war in Ordnung, und Mustapha
gelangte zu einer gewissen Sicherheit zurück. Unver-
züglich begann er mit der Arbeit, löste die Fotos von
den Wänden, leerte die Papierkörbe, schaute in den
Schubladen seines Schreibtisches nach und packte
sämtliche Dokumente in eine große Sporttasche. Wenn
die Geier in seine Wohnung eindrängen, fänden sie
nichts Verräterisches mehr vor. Nichts, was sie glauben
lassen könnte, den Feind ausfindig gemacht zu haben.
Mouss war
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