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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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der See aus Diesel reichte ihm fast bis unter die Achseln. Er sah nach links zu Kehoe hinüber, der beinahe bis zum Hals versunken war und allmählich anfing zu zittern.
    Erst als er den Kopf zurückdrehte, sah er, dass Driver aufgestanden war und sich vorwärtsbewegte, gebückt und sehr bedachtsam. Mit einem Handy in der behandschuhten Hand ließ er seine Füße vorsichtig über den Boden des Tanks gleiten, bis er direkt unter der teilweise geöffneten Luke stand.
    In Zeitlupentempo schob er die Antenne des Telefons hinaus ins Freie. Als Driver den ersten Knopf drückte, leuchtete das Tastenfeld grün auf. Corso zuckte zurück und verschlang die Hände ineinander. Bevor er jedoch die verschiedenen Möglichkeiten bedenken konnte, erschütterte ein heftiges Beben die Erde, und dann, eine Sekunde später, fanden ein Donnern und dann ein Schrei den Weg in den Tank.
    Driver war auf dem Weg zurück zu Corso und Kehoe, als der Motor aufheulte und sich der Laster in Bewegung setzte. Der Treibstoff schwappte hin und her, einmal bedeckte er sogar vollständig das Kunststoff-Sichtfenster in Corsos Schutzanzug. Corso schloss die Augen und versuchte, nicht zu atmen.
    Paul Lovantano sah, wie der Soldat sich aufrichtete und oben auf dem Dach des Anhängers entlangbalancierte, dann plötzlich die Arme ausstreckte, um das Gleichgewicht zu halten, einmal schwankte und kopfüber herunterfiel. Pauls erschöpfter Verstand hatte gerade erst angefangen, den Sturz und die Tatsache, dass die vordere Luke offen stand, zu registrieren, als ihm etwas widerfuhr, das er später als ›so 'ne Blitznummer‹ beschrieb. Einen jener Momente, in denen die Luft stillzustehen scheint, in denen die Nasenlöcher sich vor dem beißenden Geruch des Kordits schmerzhaft zusammenziehen, Sekunden bevor der Himmel von einem plötzlichen Donnerschlag zerrissen wird.
    Nur dass es in diesem Fall kein Donner war. Auch kein Blitz oder sonst ein natürliches Phänomen. Es war das Verwaltungsgebäude, das wie eine raketengetriebene Raumfähre vom Boden abzuheben versuchte. Mit offenem Mund beobachtete Paul, wie eine helle, blaue Stichflamme das Backsteingebäude komplett von den Fundamenten hob. Innerhalb von zwei Sekunden war es in der Mitte auseinandergebrochen. Die eine Hälfte sank in sich zusammen, fiel zurück in ein brüllendes Flammenmeer, das jetzt nicht mehr blau, sondern orangerot und qualmend seine schmutzigen Finger immer höher und höher in die Luft reckte. Die andere Hälfte des Gebäudes hob ab, wurde durch die Gewalt der Explosion auseinandergeschleudert und kratzte in allen Richtungen feurige Spuren in den Nachthimmel.
    Der Sergeant stieß Paul auf die offene Tür seines Lasters zu. »Weg, weg«, brüllte er. »Sehen Sie zu, dass Sie das verdammte Ding hier wegschaffen.«

15
    Sie hatten sie aufs Dach gestellt. Da oben stand sie nun, ein Mikrofon in der Hand, mit einem japanischen Kameramann, der sich meisterlich darauf verstand, ihren Oberkörper zu filmen und ihr dabei gleichzeitig unter den Rock zu starren. Ursprünglich hatten sie die Anmoderation für den Filmausschnitt mit der Übernahme aufzeichnen wollen. Die Idee war gewesen, sie hoch genug über dem Boden zu positionieren, so dass sie über alle anderen hinwegfilmen konnten und nur Melanie und Meza Azul im Bildausschnitt zu sehen waren, was die Illusion heraufbeschwören sollte, sie wären die Einzigen, die an der Geschichte dran waren.
    Wie so oft hatte sich das, was anfangs als nette kleine Low-tech-Idee erschienen war, zu einem Albtraum entwickelt. Melanies Anmoderationen und Trailer begannen fast immer damit, dass sie selbstsicher aufs Set spazierte und dabei aussah, als hätte sie gerade die Zellentür hinter einem weiteren Gesetzesbrecher zugeschlagen. Auf dem Dach des Wohnmobils war sie jedoch gezwungen, völlig still dazustehen. Nicht nur, weil die Gefahr bestand, versehentlich danebenzutreten und knapp drei Meter abzustürzen, sondern auch, weil das dünne Blech bei der geringsten Bewegung bedrohlich ächzte.
    »Versuchen wir's noch mal«, rief Marty Wells von unten.
    Melanie richtete das Mikrofon an ihrem Revers, seufzte tief und signalisierte Yushi, dem Kameramann, mit einem Nicken, dass sie bereit war. Doch bevor sie ihren Monolog beginnen konnte, peitschte eine Reihe lauter Entladungen durch die Luft. Melanie wandte sich von der Kamera ab und sah mehrere Bogen aus Licht himmelwärts schießen. Erst als sie den höchsten Punkt erreicht hatten und zu Flammen auseinanderstoben,

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