Die Geisel des Chinesen: Erotischer Roman (German Edition)
düster.
„Opium?“
„In England benutzt man die Tinktur daraus.“
„Laudanum.“ Lizzie sah zu dem Hauseingang. „Aber weshalb sah dieser Mann so elend aus?“
„Er ist einer der vielen Opiumsüchtigen“, erzählte Cai.
Lizzie nickte. „Mein Bruder hat mir davon geschrieben. Er hält es für unverantwortlich, dass Britannien nach wie vor Opium einführt.“
„Mir scheint, dein Bruder ist ein vernünftiger Mann.“
„Ich denke schon“, entgegnete Lizzie. Sie sah erneut auf das Gebäude. „Kann man denn nichts gegen diese Opiumhöhlen unternehmen?“
Cai zuckte die Schultern. „Man scheucht sie aus dem einen Loch, und am nächsten Tag haben sie sich in zwei neuen versteckt.“
Lizzie wechselte das Thema. „Wo wohnt denn diese Freundin?“
„In einem bedeutend netteren Teil Schanghais als diesem“, erklärte er mit einem missbilligenden Blick auf die Straße hinaus. Er lehnte sich zurück und musterte Lizzie interessiert. „Und es ist wirklich in Ordnung für dich, bei Mai-Ling zu wohnen?“
„Mai-Ling? Ist das ihr Name?“
Cai nickte langsam, seine schrägstehenden Augen fixierten Lizzie. „Sie ist eine ungewöhnliche Frau.“
„Chinesin?“ Der Duft von Backwerk stieg Lizzie in die Nase. Cai beugte sich aus der Sänfte und rief einen Befehl. Die Träger stoppten, und sofort umringten Straßenhändler die Sänfte. Schreiend hielten sie ihre Waren hoch. Ein scharfer Zuruf Cais verjagte einen Teil der schmutzigen, schäbigen Männer.
„Worauf hast du Appetit, Lizzie?“
Sie überblickte die Leute, die erwartungsvoll ihre Leckereien anpriesen, und deutete auf eine kleine dralle Frau, die dampfende Hefebrötchen emporhielt. Der Geruch überdeckte alles andere, und Lizzie, die nicht als erstes Gericht gegrillte Beutelratte oder Hühnerfüße zu probieren gedachte, hielt diese Wahl für die beste. Cai reichte der Bäckerin einige Münzen und erhielt in Papier eingeschlagene Brötchen, die er dankend entgegennahm.
„Lass es dir schmecken!“ Lächelnd beobachtete er Lizzie, wie sie eins der heißen Brötchen aus dem Papier fischte und das Gebäck abkühlte, indem sie es von einer Hand in die andere warf. Sie erwiderte sein Lächeln und biss in das immer noch dampfende Brötchen. Sie stöhnte genüsslich. Der Teig war locker und leicht süßlich. Es war kaum nötig zu kauen, denn das Gebäck zerfiel auf ihrer Zunge.
Er lehnte sich zurück.
„Um auf deine Frage zurückzukommen: Mai-Ling ist Chinesin, und um deiner nächsten Frage zuvorzukommen: Sie spricht Englisch. Ihr werdet euch also miteinander unterhalten können.“
Erleichtert wandte Lizzie sich wieder ihrem Brötchen zu.
„Was für eine Erleichterung! Mein Chinesisch ist bei Weitem nicht gut genug, um Unterhaltungen zu bestreiten.“
Sie sah auf die Straße. Der Weg war nun mit holprigen Quadern gepflastert, und die Häuser wirkten deutlich gepflegter. Die Bauweise kannte Lizzie von Motiven asiatischer Gemälde und Wandbemalungen. Dächer, die stufenartig auf den Häusern thronten, und Rundbögen-Fenster und Eingänge dominierten die Straßenzeile. Manche Dachfirste zierten Fabelwesen, und an den Türen und Fenstern hingen Windspiele aus messingfarbenen Münzen und roten Bändern.
Das Gewühle von Menschen, Sänften und Karren wurde nicht weniger, doch nun schienen die Menschen sauberer und besser gekleidet. Die Träger bogen ab und durchquerten eine schmale Gasse. Neugierig blickte Lizzie hinaus, doch da Cai kein bisschen beunruhigt wirkte, folgerte sie, dass alles seine Richtigkeit besaß. Sie lehnte sich satt und zufrieden zurück.
Die Sänftenträger erreichten das Ende der Gasse und traten auf eine breitere Straße. Auch hier herrschte hektisches Treiben. In der Luft lag eine unterschwellige Aufregung, fast körperlich spürbar für Lizzie. Viele Männer waren unterwegs. Die Häuser erzählten deutlich vom Reichtum der Bewohner.
Endlich sah Lizzie auch Chinesinnen der gehobenen Schichten. Eine Gruppe Frauen stand vor einem Haus und plauderte miteinander. Ihre schwarzen Haare glänzten wie poliertes Ebenholz, und kostbar wirkende Perlmuttkämme und Stäbe hielten die Frisuren. Die Gesichter waren angemalt, die Haut bleich gepudert, die Augen schwarz umrahmt und die Lippen rot gefärbt. Ihre Kleider waren schmal und gerade geschnitten, vom Hals abwärts mit Knöpfen versehen und reich bestickt. Jedes Kleid besaß eine andere leuchtende Farbe, die in Lizzie Neid hervorrief. Sie fühlte sich in ihrem braunen Ausgehkleid
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