Die Geisel des Chinesen: Erotischer Roman (German Edition)
„Lizzie, dein Bruder und seine Familie waren nicht da.“
Erschrocken starrte sie ihn an. Cais Miene spiegelte Schuldgefühle wider. Lizzie schlug die Hand vor den Mund. Mit einem Mal war ihr vor Schreck eiskalt.
„Bitte nicht, sag nicht, dass ihnen etwas geschehen ist?“
Cai zog sie sofort an sich. „Nein! Natürlich nicht. Ich habe dir Angst eingejagt, das tut mir leid“, entschuldigte er sich. „Es ist alles in Ordnung. Sie sind nur nicht in Schanghai, offenbar wurden sie nach Beijing eingeladen. Als Gäste des Kaisers.“
„Zum Kaiser von China?“, wiederholte Lizzie fassungslos. „Aber weshalb denn das?“
Cai machte eine ratlose Schulterbewegung.
„Vielleicht, weil dein Bruder Jake einen wichtigen Posten innerhalb der hier lebenden Briten innehat?“
Lizzie merkte, dass sie vor Anspannung die Luft angehalten hatte, und stieß sie zitternd aus.
Cai rieb ihr über Schultern und Arme.
„Sie werden frühestens in ein paar Wochen zurückerwartet.“
Lizzie schluckte. Vor ihr lag die unerfreuliche Aussicht, die Dienstboten ihres Bruders davon zu überzeugen, dass sie war, wer sie vorgab zu sein, und dann wochenlang auszuharren, bis ihr Bruder und seine Familie zurückkehrten. Vielleicht war das gesamte Haus sogar abgeschlossen, da ihr Bruder nicht anwesend war.
„Du musst nicht gehen. Sei mein und Mai-Lings Gast, bis dein Bruder wieder zurück ist.“ Diese Möglichkeit klang um einiges verlockender.
Sie sah Cai an, musterte sein liebgewonnenes, exotisches Gesicht. Der Gedanke, ihn noch länger um sich zu haben, ließ ihr Herz freudig pochen. Wenn sie hier bleiben könnte, bei Mai-Ling und Cai … Das Schicksal gewährte ihr noch einen Aufschub. Eine Verschnaufpause, ehe sie sich wichtigen Entscheidungen stellen musste: wie es mit ihr und Cai weitergehen würde. Wie es weitergehen konnte.
„Aber ich kann deine und Mai-Lings Gastfreundschaft doch nicht so lange in Anspruch nehmen“, wehrte sie ab, obwohl sie doch nichts sehnlicher hoffte, als verweilen zu dürfen.
„Doch“, entgegnete Cai entschlossen. „Du bleibst.“
Er lächelte sie an, und dieses Lächeln ging ihr durch und durch. „Es wird mir eine große Freude sein, dich noch länger beherbergen zu dürfen.“
Lizzie erwiderte die Geste.
„Vielen Dank für das großzügige Angebot. Ich hoffe, ich nutze deine Gastfreundschaft nicht länger als nötig“, erklärte sie und hoffte dabei, ihr Bruder möge viele Wochen weg sein.
Er nahm ihre Hand und küsste ihr Handgelenk.
„Nun, meine Liebe, wie wollen wir uns die Zeit vertreiben?“
Konzentriert blickte Lizzie auf das Schachbrett vor sich. Aus einem der Räume drang das Spiel einer Pipa, einer chinesischen Laute, die Mai-Ling meisterhaft zu spielen verstand.
„Machst du deinen Zug heute noch oder wartetest du auf morgen?“
„Hetz mich nicht. Ich entwickle gerade eine erfolgsversprechende Strategie.“
„So lange?“, spottete Cai. Er streckte seine Beine aus, sodass seine Knöchel die ihren berührten.
Lizzie sah auf und lächelte ihn an.
„Hast du es eilig?“
„Die Zeit, die du für einen Zug benötigst, reicht aus, einmal die Chinesische Mauer entlangzulaufen“, spöttelte Cai.
Das Pipa-Spiel wurde lauter und wilder.
„Wie kam es, dass dein Bruder in Schanghai landete?“, fragte Cai beiläufig.
„Schon als Kind war Jake fasziniert von Schiffen und den exotischen Zielen, die sie ansteuerten. Wir haben immer von all den Plätzen geträumt, die wir besuchen wollten.“
Wehmütig spielte sie mit dem Läufer, ehe sie ihren Zug machte. Sie sah Cai an.
„Ich entwuchs den Wunschträumen. Jake nicht.“
Cai nickte verständnisvoll.
„Manche Träume wollen gelebt werden.“
Er machte seinen Zug.
Lizzie zuckte mit den Schultern, den Blick auf das Schachbrett konzentriert. Sie griff nach der Dame. „Schachmatt.“
Cai sah stirnrunzelnd hoch. „Was war noch gleich der Wetteinsatz?“
„Wetteinsatz? Es ziemt sich für junge Damen nicht, dem Glücksspiel anzuhängen.“
„In England vielleicht, hier in China wetten wir für unser Leben gern.“
Cai stand auf und hob Lizzie auf seine Arme.
Sie quiekte erschrocken.
„Was soll das denn?“
Cai schmunzelte.
„Lass dich überraschen. Ich hole mir meinen Einsatz.“
„Habe ich nicht gewonnen?“
„Eben, sonst müsstest du mich zum Bett tragen.“
Lizzie legte ihren Kopf in den Nacken und lachte. Er stellte sie sanft vor dem Bett auf den Boden. Eine Locke löste sich aus ihrem aufgesteckten
Weitere Kostenlose Bücher