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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Ricarda Jordan
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Stralow die Stiege herunterkam, wusste Amra nicht. Der Kaufmann wirkte sichtlich verzweifelt, als er das Mädchen im Stroh hocken sah.
    »Kind, was hast du bloß getan? Deine Mutter ist außer sich!«
    Baruch ging auf Amra zu, und sie glaubte fast, er würde sie in die Arme nehmen, aber dann hielt er sich doch zurück.
    Amra sah kläglich zu ihm auf. »Ist Magnus denn entkommen?«, fragte sie leise.
    Baruch rieb sich die Stirn. »Also ist es wirklich so, wie ich befürchtet habe. Diese ganze Sache diente der Flucht des Jungen. Bisher habe ich noch gedacht, es sei vielleicht ein Irrtum. Warum solltest du schließlich eine Ratte im Tempel freisetzen?«
    Amra schüttelte den Kopf. »Ich musste doch etwas tun«, flüsterte sie. »Ich konnte ihn doch nicht … ist er denn entkommen? Hat er … das Schiff erreicht?«
    »Dann hängt das also auch mit der mysteriösen Geschichte um die Heringe zusammen, die angekündigt wurden, aber nicht kamen …« Baruch seufzte.
    Amra nickte schuldbewusst. »Ich hab Magnus gesagt, er soll ›Heringe!‹ rufen, bevor er flieht, damit er dann im Gewimmel der Fischer übers Meer fliehen kann. Aber ich denke, Ihr kriegt Euer Boot sicher zurück …«
    »Kind, Kind, es geht mir doch nicht um das Boot! Das könnte ich tausendfach verschmerzen. Aber du …«
    Amra fühlte Kälte in sich aufsteigen. »Was wisst Ihr, Herr Baruch? Was werden sie mit mir machen? Ich dachte, einen Gefangenen zu befreien …«
    »… ist so etwas wie ein Spiel, ja?«, fuhr Baruch sie an. »Das man anfängt, weil man sich in einen hübschen Knappen verliebt hat, und bei dem es dann auf die besten Einfälle ankommt, die Erwachsenen hinters Licht zu führen. Wobei man höchstens eine Backpfeife oder Hausarrest riskiert …«
    »Ich musste doch …« Amra wollte sich rechtfertigen, aber Baruch sprach erregt weiter.
    »Du verkennst völlig deine Lage, Amra. Die Flucht dieses Jungen wird man dir wahrscheinlich gar nicht zur Last legen. Selbst ich war mir bis eben nicht sicher, ob der Plan wirklich darauf zielte oder ob der Knabe nur die Gunst der Stunde nutzte. Aber die Tempelschändung, Mädchen! Die Ratte im Allerheiligsten, die Verhöhnung des Gottes … dazu noch gleich nachdem der Tempelritter dem Götzen getrotzt hatte! Herr Adrian und die anderen Christen sprechen schon von einem Wunder, bewirkt durch ihren Jesus. Diese Zeremonie war eine Blamage sondergleichen. Die Priester werden sich dafür rächen wollen. Amra, sie könnten dich töten!«
    Amra kaute auf ihrer Unterlippe. »Ich sage einfach, ich habe nichts getan«, erklärte sie. »Wenn dieser Junge mich nicht gesehen hätte … oder haben sie die Falle gefunden? Dann muss ich …«
    Baruch schüttelte den Kopf. »Die Falle haben deine Mutter und ich gefunden und in Sicherheit gebracht, darum musst du dich nicht sorgen. Und ja, das Beste, was du tun kannst, ist leugnen. Ein guter Advokat könnte das mit dem Argument untermauern, dass der Gott sich nicht an dir gerächt hat. Wenn es stimmte, was die Priester predigen, hätte er dich ja vom Fleck weg erschlagen können …«
    Amra nickte schuldbewusst.
    Baruch sah sie stirnrunzelnd an. »Damit hast du gerechnet? Also Mut hast du, das kann man nicht leugnen.«
    Über Amras Gesicht zog der Anflug eines schelmischen Lächelns. »Dann holt Ihr mich hier heraus?«, fragte sie hoffnungsvoll. »Als … als mein Advokat?«
    Baruch schüttelte den Kopf erneut. »Das würde ich für mein Leben gern versuchen«, sagte er leise. »Aber es gibt da zwei Hindernisse. Sie werden dir gar nicht erst den Prozess machen, zumindest nicht öffentlich. Sonst würde die Frage, warum Svantevit nicht Feuer und Schwert über dich gebracht hat, als du sein Heiligtum schändetest, noch Thema für die Volksversammlung. Und die Männer von Vitt und Puttgarden könnten auch anführen, dass hier ein Wort gegen das andere steht: deins und Vaclavs.«
    »Vaclav ist der Junge, der mich gesehen hat?«, fragte Amra.
    Baruch nickte. »Und das ist das zweite Problem: Vaclav von Arkona ist nicht irgendein Junge. Er ist ein Verwandter des Königs, niemand darf ihn ungestraft der Lüge zeihen. Verstehst du jetzt, warum man auf dich und mich nicht hören und das Volk außen vor lassen wird?«
    Amra verbrachte eine angsterfüllte, einsame Nacht im Kerker und konnte sich nur damit trösten, dass Magnus wahrscheinlich bereits auf dem Weg nach Lübeck war.
    Die Hilge Maget war rasch mit den Heringen des letzten Fangs beladen worden und sollte im Morgengrauen
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