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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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absegeln. Baruch hatte dem Mädchen versichert, dass der Kapitän keine Einwände gegen Magnus’ Mitnahme haben würde. Selbst wenn seine christliche Nächstenliebe nicht ausreichen sollte – ein Hinweis auf Magnus’ Verwandtschaft mit dem Dänenkönig dürfte den Kapitän davon überzeugen, dass die Passage bezahlt werden würde. Der Junge war gerettet. Aber um welchen Preis?
    Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als man Amra aus dem Kerker holte. Wieder waren es zwei Tempeldiener, die sie eskortierten, einer ging gebeugt und stöhnte, als er sich die Treppe hinaufschleppte. Amra dachte schadenfroh an Magnus’ gezielten Tritt.
    »Wo bringt ihr sie denn hin?«, fragte der alte Kerkermeister, als die Männer das in die Sonne blinzelnde Mädchen an ihm vorbeizerrten. Amra schien ihm leidzutun. »Vor die Priester?«
    »In die Halle des Königs«, antwortete einer der Tempeldiener unwillig.
    Es schien ihm nicht recht zu sein, vielleicht hätten die Priester die Sache lieber im Tempelbereich verhandelt.
    Nun führten sie das Mädchen allerdings am heiligen Bezirk vorbei, wo eine Schar Priester sich beeilte, dem Gott ganze Herden von Schafen und Rindern zu opfern, um ihn zu versöhnen und das Allerheiligste mit Blut zu reinigen.
    Priester und Burgbedienstete starrten Amra neugierig an, als sie, begleitet von ihren Wächtern, über den Platz schritt. Das Mädchen schlug die Augen nieder, überlegte es sich dann aber anders und hob trotzig den Kopf. Sie, Amra, würde sich nicht schuldbewusst zeigen. Leugnen war ihre einzige Chance, sie musste den König dazu bringen, ihr zu glauben.
    Der Palas des Königs war wie alle Gebäude in der Burg Arkona aus Holz errichtet. Amra wusste von Herrn Baruch, dass man auf dem Festland mit Stein baute und daraus gewaltige Trutzburgen errichtete. Die Slawen hatten die Techniken dazu allerdings nie entwickelt. Sie lebten in waldreichen Gegenden, und ihre Völker waren klein. Es reichte, dort Fluchtburgen anzulegen, wo die Natur sich dafür anbot. Auf Arkona wurde die Burganlage an drei Seiten von der Klippe geschützt. Slawenkönige legten von jeher nicht sehr viel wert auf Prunk. Sie lebten bescheiden und beharrten anderen Völkern gegenüber nicht einmal unbedingt auf ihr Recht auf den Königstitel. Die Kaufleute sprachen oft ungestraft von »Fürst Tetzlav«, da ihnen Rujana einfach zu klein für ein Königreich dünkte.
    Ärmlich hauste der Herrscher über Rujana selbstverständlich nicht. Sein Domizil war zweistöckig und verfügte über komfortable, beheizbare Wohnräume für die königliche Familie, sowie einen Rittersaal im Erdgeschoss, ausreichend groß für Tetzlav und die etwa dreihundert Männer, die Burg und Heiligtum bewachten.
    Einige von ihnen waren auch heute anwesend, als man Amra vor den König brachte. Sie standen oder saßen zu beiden Seiten des Saals. Tetzlav thronte auf einem erhöhten Stuhl, und auch ein paar Adlige, unter ihnen der Knabe Vaclav, hatten auf dem Podium Platz gefunden. Die Priesterschaft, angeführt vom Hohepriester Muris, musste sich davor aufstellen. Die Geistlichen wirkten entsprechend ungehalten. Zumindest ihr Oberhaupt musste es als Affront empfinden, nicht mit dem König auf gleicher Höhe platziert zu werden.
    Die Tempeldiener stießen Amra auf einen freien Platz zwischen den zuschauenden Rittern, dem König und der Priesterschaft. Das Mädchen zwang sich, mutig zu den Edlen der Insel aufzuschauen und auch Vaclavs Blick nicht zu scheuen. Leicht war das nicht. Amra hatte das Gefühl, als ob das neugierige oder missbilligende Schweigen, das sich im Moment ihres Eintretens über die Menschen im Saal gesenkt hatte, eine Ewigkeit währte. Sie spürte die Augen der Ritter auf ihrem offen über die Schultern fallenden Haar – es hatte sich bei Nacht gelöst, und sie hatte gar nicht daran gedacht, es am Morgen zu flechten –, und auf dem inzwischen schmutzigen, zu engen Kleid, in dem sie sich ohne Herrn Baruchs Umhang fast nackt fühlte. Den Umhang hatte man ihr fortgenommen – wahrscheinlich der Kerkermeister als Vergütung für sein Schweigen.
    »Du bist also das Mädchen …«, erklang schließlich die Stimme des Königs. »Ein Kind aus Vitt, der Bastard einer Fischersfrau, wie mir gesagt wurde …«
    »Ich bin Amra von Vitt, Tochter des Janko von Vitt!«, sagte Amra fest und blitzte den König an. »Niemand nennt mich Bastard!«
    Der König lachte und ließ den Blick zwischen Amra und Baruch von Stralow hin- und herwandern. Amra sah jetzt

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