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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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vielleicht, aber auch mit einem Anflug von Ehrfurcht. »Der Herr wird dich rufen lassen, wenn er dich begehrt. Und dank den Göttern … dank den Göttern, dass du schön bist.«
    Baruch fragte sich, ob dies wirklich ein Segen war oder vielleicht doch ein Fluch.



Die Rache
    Kap Arkona, Rujana
1168

Kapitel 1

    A mra, Allerschönste, warum trägst du nicht meine Perlen?«
    Amra fuhr zusammen, als sie Vaclavs Stimme hinter sich hörte. Sie hatte zwar damit gerechnet, dass er ihr auflauerte, sobald sie aus der Küche kam, aber sie hatte doch gehofft, rasch unbemerkt zum Brunnen und zurück zu kommen, wenn sie ein dunkles Tuch um ihr auffälliges rotes Haar wand. Der junge Adlige hatte offensichtlich nichts anderes zu tun, als vor den Wirtschaftsgebäuden der Burg herumzulungern und sich jedes heraustretende junge Mädchen genau anzusehen.
    »Soll ich Perlen tragen, wenn ich Wasser schleppe und die Kleider meiner Herrin reinige?« Amra konnte sich einer Antwort kaum entziehen, aber sie ließ ihre Stimme abweisend und schnippisch klingen. »Ich bin eine Sklavin, wie Ihr sehr wohl wisst. Soll ich zur Arbeit kommen, hergerichtet wie eine Prinzessin?«
    Vaclav verstellte ihr den Weg und grinste sie an. Seine braungrünen Augen blitzten. »Du wirst immer aussehen wie eine Prinzessin, selbst in den ärmlichsten Kleidern …«
    Amra schnellte unwirsch an ihm vorbei. Auch seine höfischen Reden imponierten ihr nicht. Dabei war ihr durchaus bewusst, dass sich die meisten jungen Mädchen auf der Burg überschäumend über die Halskette gefreut hätten, die sie am Morgen in ihren vor der Mägdekammer abgestellten Schuhen gefunden hatte. Vaclav war ein gut aussehender, hochgewachsener junger Krieger, stark wie ein Bär. Amra konnte sich das allerdings noch so oft vor Augen führen – sie sah in ihm doch immer noch den überheblichen Jungen, der sie damals den Priestern und dem König verraten hatte. Dass er sich offensichtlich in sie verliebt hatte, änderte nichts an ihrer Einstellung. Niemals würde sie seinem Werben nachgeben.
    »Egal, wie ich aussehe, ich bin eine Sklavin, und Ihr werdet Euch daran erinnern, dass Ihr an diesem Umstand keinen unwesentlichen Anteil hattet«, beschied sie den jungen Mann jetzt, erreichte endlich den Brunnen und ließ den Schöpfeimer am Seil hinabgleiten.
    »Nun, komm, Amra, vergiss diese alten Geschichten«, Vaclav wollte ihr die Hand auf die Schulter legen, aber sie entzog sich ihm. »Wir waren Kinder …«
    Der junge Mann griff nach dem Tau, um den Schöpfeimer für sie heraufzuziehen, aber Amra wehrte ihn so heftig ab, dass das Seil schließlich beiden aus der Hand glitt und der Eimer noch einmal nach unten fiel. Amra begann wütend, ihn wieder heraufzukurbeln.
    »Und es ist doch nicht zu deinem Schaden gewesen«, sprach Vaclav dabei weiter auf sie ein. »Im Gegenteil …«
    Das war nicht unrichtig. Amra galt zwar als Leibeigene, aber ihre Stellung auf der Burg Arkona hatte manche Vorteile, um die andere junge Mädchen von Vitt und Puttgarden sie beneideten. Als Mitglied des Haushalts des Königs brauchte sie keine Fische mehr auszunehmen und einzusalzen. Sie schuftete nicht in den kleinen Gärten der Siedlungen und versorgte kein Vieh. Stattdessen diente sie als Kammerzofe der Königin – und der Mätressen des Königs. Sie hielt die Kleider und Kemenaten der hochgestellten Frauen in Ordnung, bediente sie und sorgte dafür, dass es ihnen an nichts fehlte. Wenn sie darüber hinaus noch Zeit hatte, half sie in der Küche. Amra war immer gut genährt, sie trug einfache, aber reinliche Kleidung und wurde behandelt wie jede andere Dienerin. Niemand bewachte sie oder sperrte sie ein. Wenn Amra die Erlaubnis dazu einholte, konnte sie ihre Mutter besuchen – und Baruch sah sie regelmäßig, wenn er auf die Burg kam, was häufig geschah. Der König schätzte ihn als unabhängigen, klugen Ratgeber, auch aufgrund des überaus großzügigen Geschenks, das Baruch ihm kurz nach Amras Versklavung gemacht hatte …
    Damals hatte die Sache schließlich gar nicht gut für das Mädchen ausgesehen. Amra dachte jetzt noch mit Grausen an die Angst, die sie ausgestanden hatte, als der König im Rittersaal die Hand auf sie gelegt hatte. Schon drei Tage nach ihrem Einzug in eine Mägdekammer der Burg hatte Tetzlav sie zu sich bringen lassen – und sie erinnerte sich nicht gern an die Dinge, die er in seiner Schlafkammer mit ihr getan hatte. Amra hatte sich vor dem König entkleiden müssen, er hatte ihr

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