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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Pferdeställen finden und sich an diesem Abend am Hafer der heiligen Hengste laben – wenn der Gott sich nicht rächte.
    Magnus hatte Herrn Gisberts Hinrichtung wie versteinert zugesehen. Bis der Priester das Schwert zog, hatte er nicht wirklich an das ihnen zugedachte Schicksal glauben können. Gut, es sollte vorkommen, dass Gefangene im Krieg getötet wurden, auch Hochgeborene, wenn sich ein Feldherr oder Herrscher von Rachegedanken lenken ließ oder sich politisch etwas davon versprach. Aber eine Opferung? Eine Enthauptung zu Ehren eines heidnischen Gottes? Ein Priester, der das Blut eines Hingerichteten in das Trinkhorn einer Statue aus Eichenholz füllte?
    Magnus war als Christ unter Christen aufgewachsen, Menschenopfer waren für ihn unvorstellbar. Aber hier und jetzt war es nun wirklich geschehen, Herr Gisbert war unter dem Schwert des Priesters gestorben, und nun bewahrheitete sich auch noch die Voraussage des Mädchens Amra, dessen Fluchtplan Magnus ebenfalls ziemlich seltsam erschienen war: Als die freigesetzte Ratte über das leere Geviert vor dem Tempel mit der Götterstatue rannte, brach unter den Zuschauern der Hinrichtung das Chaos aus. Der oberste Priester, der mit Gisberts Haupt vor den Gott treten wollte, stieß einen Schrei des Entsetzens aus, desgleichen ein paar der Menschen in der Menge. Andere blickten starr vor Schreck auf die Götterstatue oder gleich in den Himmel, als erwarteten sie einen Blitzschlag. Wieder andere ergriffen panisch die Flucht.
    Magnus fing einen Blick Amras auf. Jetzt! Er meinte fast, deutlich das Wort zu vernehmen, das sie sicher nur flüsterte. Und sie hatte Recht, das war seine Chance! Magnus riss sich die Kapuze vom Kopf, als der Wächter, der eben noch seinen Arm gehalten hatte, den Griff erschrocken löste. Er schleuderte dem Mann den Stoff ins Gesicht, versetzte ihm gleich darauf einen sehr unritterlichen Fußtritt zwischen die Beine und war auf und davon, bevor der Wächter noch schreien konnte. Es war leicht, in der Menge unterzutauchen, zumal die Menschen auf verschiedenste Weise auf die offensichtliche Tempelschändung reagierten. Einige hatten sich zu Boden geworfen, um den Gott um Gnade zu bitten, andere schlugen die Hände vors Gesicht, um die Schande nicht sehen zu müssen. Vor allem herrschte ein infernalischer Lärm – Schreie, Gebete und aufgeregte Gespräche drangen durcheinander an Magnus’ Ohr. Die Rufe der Wächter gingen darin unter, niemand schien auch nur daran zu denken, die Verfolgung aufzunehmen.
    Magnus schloss sich den Männern und Frauen an, die zu den Ausgängen strebten. Es war sicher möglich, in ihrem Schutz eines der Tore zu passieren. Aber Amras Plan sah noch etwas anderes vor – und Magnus rang mit sich, ob er sich wirklich daran halten sollte. Schließlich war er doch beinahe draußen, warum also ein weiteres Risiko eingehen? Andererseits – wenn er außerhalb der Burg war, war er noch längst nicht auf dem Meer. Also wandte er sich widerstrebend um, bevor er das Tor durchschritt.
    »Heringe!«, schrie er in die Menge. »Heringe in der Bucht!«
    Magnus hatte Amra das Wort mehrmals nachsprechen müssen, doch er hatte nie geglaubt, dass es irgendeine Wirkung haben würde. Erst recht nicht jetzt, bei diesem Lärm – seine Stimme konnte ja kaum weiter als bis zu den Menschen um ihn herum durchdringen. Aber zu seiner Überraschung genügte dieser einzige Ruf, um die Fischer zu alarmieren. Die Männer, die ihn hörten, nahmen die Worte sofort auf und gaben sie weiter.
    »Heringe! Heringe vor Vitt!«
    Magnus wandte sich nun endgültig in Richtung Tor und mit ihm strebte die Menschenmenge vom Burgplatz. Die Fischer von Vitt schienen den Gott und seine Rache, die Priester und die Tempelschändung von einem Herzschlag zum anderen zu vergessen. Ohne sich weiter um Svantevit, den König und den Markt zu scheren, rannten sie zu den Burgtoren. Einige von ihnen griffen noch im Vorbeilaufen nach einem Stück Brot und den Bratenstücken, die ihnen die Betreiber der Garküchen, früher vielleicht selbst Fischer, in Windeseile von den am Spieß bratenden Ochsen säbelten. Die Männer glaubten ja, in den nächsten Stunden ganz sicher nichts in den Magen zu bekommen.
    Magnus hatte nun nichts weiter zu tun, als den Männern nach Vitt zu folgen. Einige liefen über den Strand, andere über den Höhenweg. Magnus entschied sich für den Weg, den Amra ihm geraten hatte. Der Pfad war von Buschwerk und Wald gesäumt, es würde leicht sein, sich hier vor

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