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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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streng. »Du weißt, dass dieser Götze nicht mehr ist als Eichenholz. Sehr altes, sehr trockenes Eichenholz …« Er grinste. »Das wird wunderbar brennen. Und den inneren Tempelbereich darf doch niemand betreten. Also verletzen wir niemanden … die Pferde müssen wir natürlich rauslassen.«
    Bohdan bekreuzigte sich hilflos. Das Zeichen zumindest hatte er verinnerlicht, um Böses abzuwenden. Ob es aber gegen den Zorn eines der mächtigsten Götter der Slawen half?
    Magnus machte sich zielstrebig auf den Weg zum Tempel. Unmittelbar darum herum hatten die Geflüchteten abergläubisch einen Pfad freigelassen – oder die Priester hatten das durchgesetzt, um einen reibungslosen Ablauf der Orakelzeremonie zu gewährleisten. Jedenfalls kamen die jungen Ritter schnell voran und hatten auch sonst Glück – an der Wand zu den Ställen der heiligen Pferde lehnten Fackeln.
    »Anzünden?«, fragte Magnus unsicher.
    Bohdan nickte. Überall auf dem Gelände waren Männer mit Fackeln unterwegs, um sich den Weg zur Volksversammlung zu erleuchten. Solange sie damit nicht ins Allerheiligste des Tempels eindrangen, würden sie nicht auffallen.
    Amra freute sich, dass sie an der Tempelanlage rasch und unbehelligt vorbeikam. Sie ließ den Marktplatz und das Allerheiligste hinter sich und bog dann bei den Tempelställen um die Ecke. Dahinter konnte sie Licht erkennen, aber das mochte aus dem Stall dringen oder zu einem der Lagerfeuer der Geflüchteten gehören. Amra jedenfalls ging unbesorgt weiter – und erschrak, als sie sich plötzlich im Lichtschein einer Fackel wiederfand. Der Mann, der sie hielt, schien nicht minder überrascht, er hätte die Fackel fast fallen lassen. Dann hob er sie aber, um den Ankömmling näher zu betrachten. Amra, vom plötzlichen Licht geblendet, erkannte vage einen jungen Mann mit rußgeschwärztem Gesicht und hellem Haar. Keiner aus Vitt, wahrscheinlich kam er aus Puttgarden. Sie wollte mit kurzem Gruß vorbeieilen, bevor er auf dumme Gedanken käme, doch der Bursche starrte sie an, als hätte er einen Geist gesehen.
    »Amra?«, flüsterte er. »Amra?«
    Amra runzelte die Stirn und bemühte sich, den jungen Mann zu erkennen. Ebenmäßige Züge, blondes, lockiges Haar – und faszinierend blaugraue Augen … Magnus? Aber das konnte doch nicht sein!
    Amra rang noch um Worte oder doch wenigstens einen klaren Gedanken, als sie plötzlich brutal zurückgerissen wurde. Jemand zerrte ihre Arme nach hinten und setzte ihr eine Messerspitze an die Kehle.
    »Kein Wort!«, zischte ihr Angreifer auf Slawisch. »Wenn du schreist, bist du des Todes.«
    Amra hatte nicht vorgehabt zu schreien, erst jetzt regte sich Angst in ihr. Was ging hier vor? Sie öffnete den Mund, um eine Frage zu stellen, woraufhin sich die Messerspitze gleich tiefer in ihre Kehle bohrte.
    In Magnus’ Gesicht kämpften Überraschung, Freude und Missbilligung. »Lass sie los, Bohdan! Das ist Amra!«
    Amra verstand die Worte nicht, Magnus sprach Dänisch. Aber es war nicht schwer, den Sinn zu erraten.
    »Ist egal, wie heißt, ist Ranin. Wir verraten«, gab Bohdan zurück.
    Magnus schüttelte heftig den Kopf. »Sie wird uns nicht verraten. Dies ist Amra!«
    Er wiederholte ihren Namen, schien ihn immer wieder aussprechen zu müssen, als könnte er nicht glauben, dass sie vor ihm stand.
    Bohdan machte keine Anstalten, das Messer sinken zu lassen, lockerte aber immerhin seinen Griff.
    »Amra …«, flüsterte Magnus – und der Name klang wie der Schlüssel zu einem Zauberland. »Du wirst … Ihr werdet … doch niemandem etwas sagen?« Er wechselte ins Französische.
    Bohdan schnaubte ob der höflichen Anrede. Anscheinend verstand er etwas Französisch, ein Minimum an höfischer Erziehung erhielten wohl auch slawische Ritter.
    »Dazu müsste ich erst mal wissen, was ich zu verraten hätte«, meinte Amra. »Was tust du … was tut Ihr hier, Herr Magnus? Ihr … gehört zum Heer des Feindes …?«
    »Natürlich!« Magnus sah keinerlei Gründe zu leugnen. »Zu den Männern des Herzogs Heinrich. Ich werde Rache nehmen für Herrn Gisbert!« Er hob die Fackel wie ein Schwert.
    Amra verstand. »Indem Ihr die Burg in Brand setzt?«, fragte sie entsetzt. »Ihr wollt Feuer an unsere Häuser legen? Zum Dank für das, was ich für Euch getan habe, wollt Ihr mich jetzt verbrennen?«
    »Ich ja sagen, sie verraten«, bemerkte Bohdan. »Besser sie töten gleich …«
    Magnus beachtete seinen Mitstreiter nicht. »Ich will niemanden verbrennen!«, erklärte er

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