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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Rittersaal und berieten die Lage, Frauen und Kinder schliefen. Fackelschein war nirgendwo mehr zu sehen, die Nacht wurde nur vom Glimmen einiger letzter Lagerfeuer erhellt – und von Magnus’ Fackel. Amra hatte das Gefühl, als müsste jeder auf der Burg dem Schatten des Ritters folgen, der sich zielstrebig auf verbotenem Terrain bewegte.
    Und dann ging alles ganz schnell. Magnus, der raschen Schrittes, aber doch ohne Hast vorangegangen war, begann zu rennen, als er das Allerheiligste, das dem Gott geweihte Geviert, in dem die Priester nicht einmal atmen durften, erreichte. Amra, die mit Bohdan wie erstarrt sein Tun verfolgte, erwartete, dass er das Feuer direkt an die Statue legen würde, aber dafür war Magnus zu besonnen. Die Götterfigur war möglicherweise feucht vom Blut der Opfertiere und stand dazu im Zentrum des offenen Tempels. Man würde das Feuer sofort sehen. Magnus zeigte sich kaltblütig genug, an der Statue vorbeizulaufen und seine Fackel an den hintersten der Pfeiler zu halten, die das purpurne Dach über dem Gott stützten. Weder von den Ställen noch vom Marktplatz aus war dieser Pfeiler zu sehen, aber Amra und Bohdan bemerkten natürlich den Lichtschein. Magnus selbst verschmolz auch für sie mit dem Dunkel. Als er zurück über den heiligen Boden hastete, erkannte Amra ihn nur am gelegentlichen Aufleuchten seines blonden Haars, das er wohl ungenügend mit Ruß geschwärzt hatte. Dann war er wieder neben ihnen.
    »Kommt!«, wisperte er Bohdan und Amra zu. »Der Tempel wird gleich lichterloh brennen.«
    Bohdan wollte sich sofort in Trab setzen, aber Amra wies auf den Stall, in dem nervöses Hufschlagen zu hören war. Die Pferde witterten den Brand.
    »Die Hengste …«, flüsterte Amra.
    Magnus warf sich gegen die verschlossene Stalltür, die zum Glück gleich beim zweiten Versuch nachgab. Sie war nicht besonders gesichert, niemand hätte es schließlich jemals gewagt, Hand an die Hengste des Gottes zu legen. Magnus stürzte in den Stall, orientierte sich kurz am Wiehern und Poltern und öffnete dann die Verschläge für zwei schwarze Hengste.
    »Vorsicht!«, brüllte er Amra zu.
    Die junge Frau konnte sich gerade noch in Sicherheit bringen, als die Pferde zur Tür herausstürzten. Sie hoffte, dass sie niemanden auf dem Platz niedertrampeln würden, aber die Sorge war unbegründet. Die Hengste rannten auf den Burgwall zu, wo die Stuten grasten.
    »Und jetzt zu den Klippen!« Bohdan war bereits im Dunkel Richtung Klippen verschwunden, Magnus aber wandte sich noch einmal Amra zu. »Du verrätst uns nicht, ich wusste es. Danke. Danke, Amra.« Wieder ihr Name, der wie eine Liebkosung klang.
    Amra schüttelte den Kopf. Jegliche Förmlichkeit war in diesem Augenblick vergessen. »Ich komme mit, Magnus. Die Klippen … es ist gefährlich, ich habe doch gesagt, ich zeige dir den Weg.«
    Magnus wollte etwas einwenden, aber dann brachte er es einfach nicht fertig, sich schon von ihr zu trennen. »Führ mich!«, sagte er und reichte ihr die Hand.
    Amra sah ihn ungläubig an, bevor sie scheu seine Finger ergriff. Sie fühlten sich warm an, während ihre Hände kalt waren und zitterten. Rasch zog sie Magnus zu den Klippen abseits der ausgetretenen Pfade, wo sie mit der Dunkelheit zu verschmelzen versuchten. Immer wieder stolperten sie über schlafende Menschen, und Amra murmelte jedes Mal eine Entschuldigung, in der Hoffnung, nicht zu viel Aufsehen zu erregen. Sie befürchtete allerdings, dass die Wächter der Türme, die das Meer beobachteten, sie sehen würden.
    Magnus teilte ihre Besorgnis. »Hier?«, wisperte er. »Mitten zwischen den Wachtürmen? Wir wollten … wir wollten seitlich absteigen.«
    Amra zog ihn energisch weiter. »Was meinst du, warum hier die Wachtürme stehen?«, fuhr sie ihn an. »Die Sicht zum Meer hin ist überall gleich, aber hier haben die Wächter die Klippen im Blick. Wo man herunterklettern kann, kann man nämlich auch hinaufklettern.«
    Die beiden hatten die Felsen nun fast erreicht, sie konnten das Meer beinahe schon sehen, als aus dem Wachturm eine Stimme ertönte.
    »Wer da?«
    Magnus fuhr zusammen. Sein erster Impuls war, zum Schwert zu greifen, aber er hatte keines bei sich. Also weiter zur Klippe. Würde er schnell genug hinunterklettern können? Er wollte versuchen, zu fliehen, doch Amras Griff um seine Hand hielt ihn zurück.
    »Hier ist Darja, Turmwächter!«, rief sie mit lauter Stimme zurück. »Und …«, sie senkte die Stimme zu einem Flüstern, »… Jaroslav«,

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