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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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entschlossen und sah Amra dabei in die Augen. »Keinen Menschen. Nur …« Er wies mit der Fackel auf den Tempel.
    Amra starrte ihn an, als sei er nicht bei Sinnen. »Den Tempel? Den Gott? Magnus, wenn sie euch dabei erwischen … sie hätten mich schon beinahe getötet wegen der Ratte, und nun wollt ihr zwei … ihr seid verrückt!«
    Bohdans Griff lockerte sich ein wenig. Hierin zumindest war er ganz mit seinem Opfer einer Meinung. »Wie ich sagen! Gott sich rächt! Wenn nicht anzünden Ställe, dann vielleicht Burgwall …«
    »Der brennt doch gar nicht«, wollte Amra einwenden, aber natürlich hätten die Männer Feuer an die Palisaden und Wachtürme legen können, mit denen der Erdwall verstärkt war.
    Magnus schüttelte auch schon den Kopf. »Dabei würde man uns sicher erwischen«, beschied er seinen Mitstreiter. »Wir haben eben am Wall gelagert, und viele andere tun das auch. Willst du vor Hunderten von Menschen die Fackeln an den Burgwall halten?« Er grinste, als er Bohdans zweifelnde Miene sah. »Natürlich, wenn du es mit Christi Namen auf den Lippen tust, könntest du der erste slawische Märtyrer werden … Sofern Gott dir vergibt, dass du nur aus Angst vor einem Götzen handelst.«
    »Wie wollt ihr denn hier überhaupt wieder herauskommen?«
    Amra wusste nicht, warum sie Fragen stellte wie eine Mitverschwörerin. Aber sie sorgte sich um Magnus – ebenso sehr wie um die Menschen in der Burg. Das Beste wäre, er täte gar nichts. Aber sonst hatte er Recht: Wenn er Feuer legen musste, war es das Sicherste, er nahm den Tempel. Dabei bestand auch kaum Gefahr, dass der Brand auf andere Gebäude übergriff. Der heilige Bezirk würde wie eine Feuerschneise wirken. Und was den Gott anging – Amra hatte die Furcht vor Svantevit verloren, seit er die Schändung seines Heiligtums durch ihre Ratte nicht gerächt hatte. Sie glaubte nicht wirklich, dass er eingreifen würde, wenn Magnus nun sein Standbild verbrannte.
    »Über die Klippen«, verriet Magnus wie selbstverständlich seinen Fluchtplan. »Man kann sie hinunterklettern, sagen die Obodriten.«
    Amra nickte, allerdings wenig überzeugt. Es stimmte, ein Kletterwettbewerb war fester Bestandteil der Volksfeste auf Burg Arkona. Aber der Abstieg war nur an bestimmten Stellen möglich, und bei Nacht war es überall gefährlich. Wenn die Ritter es auf gut Glück an einer beliebigen Stelle versuchten, würden sie sicher zu Tode stürzen.
    Amra beschloss, es mit einem Handel zu versuchen und redete sich ein, das nur zu tun, um ihr eigenes Leben zu retten.
    »Man kann hinunterklettern, aber nur von einer Stelle aus. Da ist es auch nicht einfach, aber es ist möglich. Wenn ihr den falschen Weg nehmt …«
    »Wir Weg finden«, erklärte Bohdan im Brustton der Überzeugung.
    Amra schüttelte den Kopf. »Der Abstieg ändert sich jedes Jahr«, erklärte sie. »Weil das Meer von unten an den Felsen frisst. Es ist weiches Gestein, wisst ihr, es bricht immer wieder etwas ab. Wenn ihr also den Weg vom letzten Jahr nehmt oder den vom vorletzten Jahr, dann seid ihr verloren. Aber wenn ihr mich laufen lasst, dann … dann zeige ich euch die Stelle, an der die letzten Kletterer es geschafft haben.«
    Es würde ihr nicht schwerfallen, sie zu finden. Der Kletterwettbewerb hatte erst wenige Tage vor Ankunft der Dänen stattgefunden – und Vaclav hatte ihn gewonnen.
    »Amra, natürlich lassen wir dich laufen, wir …« Magnus schüttelte den Kopf, als sei allein ihr Versuch, um ihr Leben zu handeln, eine Beleidigung seiner Ritterehre.
    »Besser töten«, wandte Bohdan ein.
    Magnus blitzte ihn an. »Ich werde Amra ganz sicher nicht töten, Bohdan. Und du wirst es auch nicht tun. Aber du kannst mit ihr hierbleiben und auf mich warten. Ich tue jetzt nämlich das, weshalb ich gekommen bin – ich nehme Rache an dem Götzen, der mein Blut wollte und der das meines Freundes genommen hat!«
    Damit hob er die Fackel und setzte sich entschlossen in Bewegung. »Du kannst ja beten«, bemerkte er noch, bevor er um die Ecke bog. »Zu welchem Gott auch immer!«
    Bohdans Neugier und seine widerwillige Faszination für Magnus’ tollkühnes Vorhaben überwog binnen kürzester Zeit seinen Argwohn gegenüber Amra. Schließlich spähte er gemeinsam mit seiner Geisel nach der Fackel des jungen Ritters aus, die sich in raschem Tempo auf das Zentrum des Tempels zubewegte. Inzwischen war es stockdunkel, und in den Lagern der Geflüchteten war weitgehend Ruhe eingekehrt. Die Männer waren wohl noch im

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