Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
folgenden Bedingungen entsprochen wird: Das Götzenbild des Svantevit sowie der Tempelschatz sollen ausgeliefert und die gefangenen Christen aus dem Gefängnis ohne Lösegeld freigelassen werden. Die wahre christliche Religion soll von Adel und Volk nach dänischem Ritus angenommen und die Äcker sowie Güter der heidnischen Götter sollen für die Zwecke der neuen christlichen Priesterschaft verwendet werden. Auf Anforderung des Königs der Dänen sollen die Männer von Rujana Kriegsfolge leisten und außerdem jährlich von jedem Joch Ochsen je vierzig Silberpfennige als Tribut zahlen. Zur Sicherstellung dieser Bedingungen sind vierzig Geiseln zu stellen.«
    »Das ist weniger, als die Priesterschaft fordert«, kommentierte Aldin, Kammmacher aus Puttgarden, die Tributforderung. »Aber die Christenpriester werden wahrscheinlich auch noch was wollen, wenn sie erst hier sind.«
    »Über die Zahlungen lässt sich ja meistens noch verhandeln«, wies ihn ein reicher Viehzüchter ab. Für Miladin spielten ein paar Silberpfennige mehr oder weniger keine Rolle. »Worauf ’s ankommt, ist doch die Frage: Ergeben wir uns oder nicht?«
    Die Männer schienen nur darauf gewartet zu haben, dass jemand die Sache auf den Punkt brachte. Aufgeregt redeten sie durcheinander.
    »Natürlich nicht!«, rief Drazan, ein junger Heißsporn aus Vitt. »Die können doch nicht einfach kommen und uns irgendwas befehlen! Ich sage: gleich raus und sie gründlich verhauen. Wenn alle mitmachen …«
    »Also, ich mach nicht mit«, erklärte Miroslav, ein Fischer aus Vitt, gelassen, aber gänzlich entschlossen. »Ich lass mich nicht abschlachten für das Priestervolk und den König, der schon durchbrennt, bevor’s richtig losgeht. Die lassen sich nicht einfach verhauen, Drazan, wie die Jungs aus Puttgarden, wenn’s um ein Mädchen geht. Die haben Schwerter und Pferde und bauen schon Kriegsmaschinen. Wenn du rausgehst, stechen sie dich ab, und wenn wir drinnen bleiben, beschießen sie uns bald mit Felsbrocken. Und wofür?«
    »Für unseren Glauben!«, fiel ihm Drazan ins Wort. »Für Svantevit, für …« Er überlegte, mehr schien ihm jedoch nicht einzufallen. »Wir lassen uns doch nicht zwingen, deren Götter anzubeten!«
    Miroslav zuckte die Schultern. »Für’s einfache Volk würd’s kaum was ändern. Ob du zu dem einen Gott betest oder zu dem anderen – wen kümmert’s, man weiß doch ohnehin nicht, ob sie zuhören. Und kostspieliger als das Orakel des Svantevit kann die Gunst der neuen Götter auch nicht sein. Was den König angeht: Der wird bleiben oder es gibt einen anderen. Abgaben wird jeder fordern, dafür halt ich meinen Kopf nicht hin.«
    »Aber der Gott wird sich rächen, wenn wir abtrünnig werden«, gab Drasko, ein Schmied aus Puttgarden, besorgt zu bedenken. »Svantevit ist ein mächtiger Gott.«
    Dosko, der Obodritenkrieger, der die Kapitulationsbedingungen rezitiert hatte und der Diskussion bislang unbeteiligt gelauscht hatte, schnaubte.
    »Sehr mächtig«, höhnte er dann. »Gestern haben wir seinen Tempel in Brand gesetzt. Und? Wo war euer Gott?«
    »Der Burgwächter hat ihn reiten sehen!«, behauptete Drasko. »Er zog in die Schlacht.«
    »Zog er in die Schlacht oder suchte er das Weite?«, fragte Miroslav mit schiefem Grinsen. »Ich hab gehört, er wär übers Meer geritten.«
    »Um den Frevler zu strafen, der für den Tempelbrand verantwortlich ist!«, trumpfte Drasko auf. »Der bezahlte seine Sünde mit dem Leben.«
    Man hatte Bohdans Leiche am Morgen an dem kleinen Strand unterhalb der Klippen entdeckt.
    »Einer«, bemerkte Admir. »Aber eingeschlichen haben sich doch wohl mindestens zwei, wenn ich das richtig verstanden habe.«
    »Den anderen hat das Meer verschlungen!«, meinte Drasko fest überzeugt.
    Der Obodrit Dosko grinste überlegen. »Nee. Der sitzt im Zelt des Königs und sonnt sich in seinem Ruhm. Euer Gott ist nichts wert, Leute. Und was den Neuen angeht, zu dem wir jetzt alle beten – das ist ein ganz Listiger! Sie bilden ihn als Fischer ab und als Schäfer und nennen ihn Friedensfürst. Aber seine Priester kämpfen wie die Löwen, seine Heere waten in seinem Namen im Blut. Wir machen gut Beute unter diesem Christus. Zu unserem Schaden war’s nicht, dass Herzog Heinrich unseren Fürsten Pribislav geschlagen und uns dann alle getauft hat.«
    »Fischer klingt gut«, murmelte Miroslav.
    Im oberen Geschoss wurde weniger friedfertig diskutiert. Vaclav und Muris, der Hohepriester, standen einander wutschnaubend

Weitere Kostenlose Bücher