Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
das zu erklären, aber so ganz konnte die nicht folgen. Erfreut erfuhr sie, dass der neue Gott wenigstens keine Tier- oder Menschenopfer forderte. Ihr hatte es immer leidgetan, wenn Herr Baruch widerwillig die besten Tiere der Schafherde, die zu seinem Anwesen auf Rujana gehörte, den Priestern des Svantevit schickte.
    Am dritten Tag bauten die Ritter dann erstmals Zelte für sich und die Frauen auf, denn in der Handelsund Marktsiedlung, die hier am westlichen Alsterufer lag, fand sich keine passende Unterkunft. Geschäftig ging es dort aber die halbe Nacht zu, sodass Amra es nicht wagte, sich hinauszuschleichen, um Magnus zu suchen. Es musste ja auch während seiner Wache sein – in sein Zelt zu gehen hätte die Grenzen der Schicklichkeit nun doch überschritten.
    Am vierten Abend hatte Amra jedoch Glück. Die Ritter lagerten in eher lichtem Wald, sie waren seit Stunden durch Heidelandschaft geritten. Magnus’ Besorgnis nahm etwas ab, und so konnte Amra Pilze und Brombeeren suchen, einige Ritter wurden zum Jagen ausgeschickt. Jetzt brieten Hasen und ein Reh am Spieß, und Amra wertete das Mahl durch ihre Pilze auf. Bei den Männern kreisten die Weinschläuche, und Magnus musste sie schließlich streng auffordern, das Gelage abzubrechen, um morgens angemessen früh aufbrechen zu können. Wohlweislich teilte er sich selbst und einen älteren, erfahrenen Ritter für die Wache vor dem Morgengrauen ein – eine Zeit, in der die Wachhabenden am häufigsten von der Müdigkeit übermannt wurden.
    Amra musste aufpassen, die Zeit nicht selbst zu verschlafen, aber dann wurde sie doch wach, genau in dem Augenblick, als Magnus aus seinem Zelt kroch, das er neben dem der Frauen errichtet hatte. So leise wie möglich wickelte sie sich wieder in den Schal, mit dem sie sich auch auf dem Schiff warmgehalten hatte, darunter trug sie wie immer, wenn sie schlief, ihr Unterkleid, um nicht zu frieren und ausreichend züchtig bekleidet zu sein, falls es zu Zwischenfällen kam, die einen raschen Aufbruch nötig machten.
    Amra blinzelte ins Dunkel. Die Nacht war nicht mehr so mondhell wie noch ein paar Tage zuvor, aber klar, die Sterne schienen ihr ermutigend zuzublinzeln. Das Lager war auf einer heidekrautbewachsenen Lichtung aufgebaut, und Amra sah das kleine Feuer der Wache am Waldrand. Hoffentlich erwischte sie auch wirklich Magnus und nicht den alten Herrn Hildebrand … Indes ihre Sinne täuschten sie nicht. Die hochgewachsene Gestalt neben dem Feuer war nicht die des betagten Ritters. Lächelnd beschloss sie, ihren Liebsten zu narren, indem sie ein Steinchen in Richtung des Feuers warf.
    Magnus wirbelte herum und griff gleich nach seinem Schwert.
    »Wer da?«, fragte er – allerdings mit verhaltener Stimme.
    Ob er mit ihr gerechnet hatte? Amra fühlte eine warme Regung in ihrem Herzen. Natürlich hatte er mit ihr gerechnet. Ihre Seelen waren einander nahe.
    »Amra«, flüsterte er jetzt. Es klang wie ein Seufzen. »Was machst du hier? Willst du wieder in die Sterne schauen? Du weißt doch, dass …«
    Amra verschloss ihm den Mund mit einem Kuss. »Ich wollte dich sehen«, sagte sie. »Das Leuchten in deinen Augen ist mir lieber als alle Sterne der Welt, allein in den letzten Tagen habe ich es vermisst. Was ist mit dir, Magnus? Magst du mich nicht mehr?« Die letzten Worte sollten neckisch klingen, doch Amras Sorge schwang darin mit.
    Magnus seufzte nun wirklich. »Natürlich mag ich dich. Das weißt du. Aber … es war ein Fehler. Wir durften das nicht tun.«
    »Was?«, fragte Amra und küsste ihn erneut. Er zögerte einen Herzschlag lang, bevor er den Kuss erwiderte.
    »Amra, bitte lass das. Wir … wir müssen damit aufhören. Wir hätten nie so weit gehen dürfen.« Es kostete Magnus eine fast übermenschliche Anstrengung, sie von sich zu schieben.
    Amra war verwirrt. »Warum, Magnus?«, fragte sie. »Warum sollen wir uns nicht lieben dürfen? Ja, ich weiß, du kannst nicht heiraten, weil du kein Lehen hast. Aber das heißt doch nicht, dass du keine Liebste haben darfst. Die Minnesänger dichten immer wieder über Fahrende Ritter, die einer Frau in Liebe zugetan sind. Na gut, da muss es auch immer heimlich sein, jedoch nur, weil die Frauen verheiratet sind. Ich dagegen bin frei.« Amra strich ihr Haar zurück und wandte ihm ihr schönes Gesicht im Licht der Sterne zu.
    »Das bist du eben nicht«, sagte Magnus gequält. »Herrgott, Amra, hast du denn nichts verstanden? Du gehörst dem Herzog, meinem Herrn. Und du bist ein

Weitere Kostenlose Bücher