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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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hatte. Ein deutscher Name, sie war stolz auf ihre neuen Kenntnisse. Weder auf dem Schiff noch jetzt auf dem Ritt hatten Mariana und sie anderes zu tun, als miteinander zu sprechen, und die Edelfrau war glücklich, der Jüngeren ihre Muttersprache vermitteln zu können. Nach vielen Worten musste sie dabei selbst erst suchen, die Jahre in Rujana hatten sie einiges vergessen lassen. Doch nun entdeckte sie ihre Sprache neu, und Amra lernte schnell.
    Die beiden Frauen erfreuten sich an dem Ritt, der jetzt, nachdem sie die Stadt verlassen hatten, durch dichte Wälder führte. Auch Rujana war größtenteils von Wald bedeckt, aber der Boden war karger und der Wald lichter. Die Menschen dort kannten sich gut in den Wäldern aus, überall auf der Insel wurde gejagt und Holz geschlagen. Hier auf dem Festland dagegen waren viele Bereiche der Wälder noch nie von eines Menschen Fuß betreten worden. Amra erschauerte wohlig in Gedanken an die Dämonen und Geister, Hexen und Waldgötter, die dort vielleicht ihr Unwesen trieben.
    Magnus dagegen fürchtete weniger Trolle und Elfen als menschliche Unholde. Die Wälder boten so manchen Gaunern und Wegelagerern Schutz und Heimat, kein Reisender wagte sich ohne Eskorte von Bewaffneten hindurch. Nun würde kaum jemand die Ritter des Herzogs Heinrich angreifen, doch Magnus war trotzdem auf der Hut. Er verlangte, dass die Männer zumindest ihre Kettenhemden trugen und ihre Schwerter griffbereit hielten.
    Amra ritt neben Mariana, und die beiden Frauen bemühten sich, mit den Pferden der Ritter Schritt zu halten, um das Fortkommen der Truppe so wenig wie möglich zu behindern. Vor allem Amra lag daran, Magnus nicht zu enttäuschen, der Ritter trug eine allzu grimmige Miene zur Schau. Langsam fragte sie sich, ob sie irgendetwas getan haben könnte, das ihn erzürnt hatte. Schließlich kannte sie ihn gar nicht als so wortkarg und streng, wie er jetzt an der Spitze seiner Männer ritt. Amra war fest entschlossen, bald einmal mit ihm zu reden. Auch wenn sie dazu wieder nachts aus dem Zelt schleichen und ihn unter den Sternen treffen musste.
    Die Gelegenheit dazu ergab sich allerdings erst am vierten Tag der Reise. Am ersten Abend lagerten sie bei einem Dorf, dessen bäuerliche Bevölkerung sich schier damit überschlug, den Damen und Rittern dienlich zu sein – wahrscheinlich befürchtete man, dass diese sich sonst mit Gewalt nahmen, was sie brauchten. Amra und Mariana fanden Aufnahme im Haus des Dorfvorstehers, und Amra lachte, als Mariana sich nur schwer damit abfand, dass hier Hühner um sie her liefen und nach Brotresten pickten. Die Leute teilten ihre Kate auch mit ihren Ziegen und einer Kuh, und Amra fühlte sich an die Häuschen der Fischer in Vitt erinnert. Sie trank bereitwillig den sauren Most, den die Bauern den Frauen kredenzten, und tunkte ihr hartes Brot am Morgen in Biersuppe. Mariana rührte missmutig im Haferbrei, sie war von jeher Besseres gewöhnt.
    »Es würde mich nicht wundern, wenn wir jetzt auch noch Flöhe hätten«, bemerkte sie unwillig beim Weiterritt.
    Die Edelfrau war hocherfreut, dass sich für die nächste Übernachtung eine Burg fand. Die Burgherrin heizte sogar das Badehaus für die weiblichen Gäste an, und Amra genoss das erste heiße Dampfbad ihres Lebens. Es tat so gut – denn auch wenn sie es nicht gern zugab: Nach den vielen Stunden auf dem Pferd schmerzten sie alle Knochen. Am Abend saß sie jedoch nur schweigend dabei, als Mariana und die Burgherrin sich in raschem Deutsch unterhielten, und langweilte sich. Auch den Minnesang in der neuen Sprache, vorgetragen von einem jungen Ritter, den die Herrin offensichtlich förderte, verstand sie noch nicht. Die Bauern hatten dagegen slawisch gesprochen. Bis vor weniger als einem halben Menschenleben war die Gegend um Lübeck noch Teil des Obodritenreiches gewesen, und so schnell orientierte sich die Landbevölkerung nicht um. Jetzt herrschten hier allerdings Christen, und am Morgen besuchte Amra ihre erste heilige Messe, gehalten vom Hausgeistlichen der Burg. Sie langweilte sich dabei ebenfalls, obwohl sie die vielen Kerzen und den goldgeschmückten Altar sehr schön fand und sogar von der lateinischen Liturgie das Meiste verstand. Inwiefern es sich von der Huldigung der alten Götter unterschied, erschloss sich ihr nicht. Auch hier war von Opfer die Rede, man betete zu einem gefolterten Mann. Bei den Slawen bluteten die Götter allerdings nicht, sie waren stark, nicht schwach.
    Mariana versuchte später, Amra

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