Die Geisel von Zir
Reith, dass alle Bishtare auf den Beinen geblieben waren, trotz der enormen Abschüssigkeit des Hanges. Sechs Beine sorgten offenbar doch für eine erheblich bessere Geländegängigkeit als vier. Die Kolosse schlitterten, die Vorderbeine wie Hemmschuhe in den Boden gestemmt den Hang hinunter, eine mächtige Lawine aus Geröll und Erde vor sich herschiebend.
Als sie unten ankamen, stürmten sie, vom Schwung vorwärtsgetragen, geradeaus weiter über den Pfad und die nächste Anhöhe hinauf. Erst kurz vor dem Ende der Anhöhe war der Schwung soweit verebbt, dass sie wieder in normalen Trott fallen und in die Serpentine einbiegen konnten.
Auch die Verfolger wählten den direkten Weg. Als Reith sich umdrehte, sah er sie in einer Wolke von Staub und Geröll den Hang hinunterrutschen, laut »Shtui! Shtui!« schreiend. Wahrscheinlich das Zirou-Wort für ›Halt‹, dachte Reith.
Der erste Bishtar stampfte bereits den Pfad hinunter. Plötzlich stemmte er die Vorderbeine in den Boden und bremste. Quer über den Pfad verteilt stand ein weiterer Trupp Ziruma und blockierte ihnen den Weg, mit gesenkten Lanzen, die Armbrüste schussbereit. Die Bishtare blieben stehen. Die Verfolger schwärmten aus und umzingelten die Bishtare, die schwer atmend, mit bebenden Flanken und hängenden Köpfen dastanden. Reith zählte an die hundert Ziruma.
Ein Ziru, der sich von den anderen durch seine bessere Kleidung und einen roten Schal um den Kopf unterschied, kam nach vorn geritten und rief auf Portugiesisch: »Voces! Descei!«
Die Mahuts kletterten aus ihren Sätteln in die Howdahs und ließen die Strickleitern herunter. Reith rief:
»Er sagt, wir sollen runterkommen, Leute! Wir sollten gehorchen.«
Pilar Guzmán-Vidal war der Hysterie nahe, aber ihr Mann schob und zerrte sie über den Rand des Howdah. Wenige Augenblicke später standen Reith, die Touristen, die Mahuts und die fünf Soldaten in einer Reihe auf dem Pfad. Der gutgekleidete Krishnaner schritt die Reihe auf und ab und inspizierte seine Beute.
»Das ist Freiheitsberaubung!« schrie Considine. »Das wird Sie teuer zu stehen kommen!«
Der Ziru blieb stehen und schaute ihn verständnislos an. »Nao entendo. Quem fala Portugues?«
»Er scheint wohl kein Englisch zu verstehen«, sagte Valerie Mulroy. »Okay, Mister, wissen Sie was? Sie sind ein mieser Scheißer, Sie blödes Arschloch, Sie …«
»Haltet die Klappe – beide!« zischte Reith. Dann wandte er sich an den Ziru: »Ich spreche ein wenig Portugiesisch und ein wenig Durou. Was ist Ihnen lieber?«
»Bist du der Führer?« fragte der Krishnaner auf Durou.
»Ja, von diesen elf Ertsuma.«
»Seid ihr die Reisegruppe, von der ich gehört habe?«
»Ja. Seid Ihr Barre vas-Sarf?«
»Barre, Dasht von Zir, wenn ich bitten darf. Schließlich bin ich der, der ich bin. Wie heißt du?«
Reith nannte ihm seinen Namen. Der Krishnaner bellte einen Befehl. Einige seiner Leute stiegen von ihren Ayas, packten die fünf Soldaten, entwaffneten sie und begannen ihnen die Hände hinter dem Rücken zu fesseln.
Als sie Gandubán das Schwert abnehmen wollten, sprang dieser plötzlich zurück, riss seine Klinge heraus, rammte sie dem nächstbesten Ziru in den Bauch, huschte zwischen zwei anderen hindurch und rannte davon. Ehe die anderen reagieren konnten, war er schon über den Rand des Pfades gesprungen und jagte mit gewaltigen Sprüngen den Abhang hinunter.
Die Ziruma brachen in gellendes Wutgeheul aus. Ein paar rissen ihre Armbrüste hoch und schossen auf ihn. Ein Pfeil schlug ihm in den Rücken und prallte von seinem Panzer ab, ein anderer streifte seinen geflügelten Helm. Drei Reiter spornten ihre Ayas zu einem mächtigen Satz über den Rand und jagten hinter ihm her. Doch ehe sie die Hälfte der Strecke bis zur nächsten Serpentine bewältigt hatten, hatte Gandubán schon das Ende des Abhangs erreicht, den Pfad überquert und sich ins Dickicht des Waldes geschlagen.
Barre brüllte einen Befehl. Ein Trompetenstoß erscholl. Die drei Verfolger zügelten ihre Ayas und ritten über den Pfad wieder zurück.
Barre beugte sich über den Ziru, den Gandubán aufgespießt hatte. Die Klinge stak fast bis zum Heft, die Spitze ragte ein gutes Stück aus seinem Rücken. Er gab ein letztes leises Stöhnen von sich, ein Zittern lief durch seinen Körper, dann lag er still.
Barre bellte ein paar knappe Befehle. Zwei seiner Männer entwaffneten Reith, Considine, Guzmán-Vidal und Turner. Ein paar andere stießen die vier gefesselten Soldaten an
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