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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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Sie ihn gefunden?«, unterbrach er sie.
    Katrine zog die Hand zurück. »Nein, noch nicht.«
    »Ach so«, sagte der Mann und sackte ein wenig zusammen. »Was machen Sie dann hier?« Er schaute die beiden abwechselnd an.
    »Wir haben ein paar Fragen an Sie, dürften wir kurz hereinkommen?«
    Der Mann verschränkte die Arme vor der Brust. »Aber wir haben Ihnen doch schon alles erzählt. Immer und immer wieder.«
    »Wir haben neue Fragen.«
    »Sie glauben vielleicht, dass wir ihn selbst entführt haben?« Das Blut stieg ihm in die Wangen.
    »Aber nein«, antwortete Maja und lächelte vorsichtig. »Wir möchten Sie um Ihre Hilfe bitten, indem Sie uns ein bisschen was über Timmie erzählen … Sofern Sie dazu in der Lage sind.«
    Der Mann ließ die Arme sinken. Dann schaute er Maja lange an, ehe er nickte. »Okay, kommen Sie rein.«
    Sie wurden in ein dunkles Zimmer geführt, in dem Berge von Wäsche und jede Menge Spielsachen herumlagen. Die schweren Vorhänge hielten das Licht draußen und schufen eine klaustrophobische Atmosphäre.
    Der Mann setzte sich rasch auf das braune Veloursofa. Katrine und Maja nahmen auf der anderen Seite des gekachelten Tisches auf einem Lederstuhl und einem Hocker Platz. Er öffnete eine Tabakdose und begann, seine Zigarettenmaschine zu füllen. »Also … Schießen Sie los. Was wollen Sie wissen?«
    »Etwas über Timmies Alltag«, antwortete Katrine und zückte ihren Notizblock. »Wofür er sich interessiert, womit er gerne spielt, solche Sachen.«
    »Haben wir Ihnen das nicht alles schon erzählt?«
    »Erzählen Sie es bitte noch mal«, entgegnete Katrine sofort.
    Er spannte mit geübten Fingern das Zigarettenpapier in die Maschine und drehte an der Kurbel.
    »Timmie war meistens allein«, sagte er und warf die fertig gedrehte Zigarette in ein Plastikkästchen. »Besonders gut in der Schule war er nicht, aber verdammt noch mal, das war sein Vater auch nicht.« Er lächelte gequält und drehte die nächste Zigarette.
    »Was hat er gemacht, wenn er nicht in der Schule war?«, fragte Maja.
    »Er hat nie irgendwas Bestimmtes gemacht.«
    »Kein Sport, irgendwelche Hobbys?«
    Der Mann schüttelte abwehrend den Kopf. »Nichts, überhaupt nichts! Das Einzige, womit er sich beschäftigt hat, waren seine Comics. Die hat er gesammelt. Da waren auch so alte Serien dabei, auf die war er total wild. Er ist ausgeflippt, wenn jemand anders die angefasst hat. Ich weiß nicht, ob man das ein Hobby nennen kann.«
    Timmies Vater hatte bereits mit der nächsten Zigarette angefangen. Seine Finger waren so schnell, als arbeitete er im Akkord.
    »Wo hat er die herbekommen?«, fragte Maja.
    Er zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht, von Freunden, nehme ich an …«
    »War er auch manchmal im Antiquariat an der Hauptstraße?«
    »Oh ja, da ist er oft gewesen.«
    »Wer hat ihm das Geld gegeben?«, fragte Katrine.
    »Das weiß ich nicht. Ich glaube, er hat Pfandflaschen gesammelt. Ich glaube nicht, dass er die Hefte gestohlen hat. Jedenfalls haben wir nie so was gehört.«
    In diesem Moment öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer, und Timmies Mutter erschien in der Türöffnung. Sie war eine kräftige Frau mit teigigem Gesicht und rabenschwarzen Haaren, die in alle Richtungen abstanden. Sie trug einen schmuddeligen Hausmantel und hellrote Pantoffeln. »Wer ist das, Thomas?« Es war nicht zu entscheiden, ob sie lallte, weil sie betrunken war, oder ob sie immer so klang.
    »Die Bullen«, antwortete der Mann, ohne in ihre Richtung zu schauen.
    Sie schlurfte zum Sofa und zauste im Vorbeigehen das Haar ihrer Tochter, die durch den Raum tanzte.
    »Was wollen Sie hier so früh?« Die Frau ließ sich behäbig aufs Sofa fallen, nahm eine selbst gedrehte Zigarette aus dem Kästchen und zündete sie an.
    »Wir sind gekommen, damit Sie uns noch ein bisschen mehr über Timmie erzählen«, sagte Katrine. »Das würde uns helfen, unsere Suche zu intensivieren.«
    Die Frau würdigte sie keines Blickes. Stattdessen schaute sie Maja prüfend an und zog an der Zigarette. Maja bemerkte ihre nikotingelben Finger und nahm sich vor, mit dem Rauchen aufzuhören. »Sie sind doch nicht bei den Bullen«, sagte Timmies Mutter. »Ich hab Sie im Fernsehen gesehen.«
    »Ich bin Ärztin«, erklärte Maja. »Ich unterstütze die Polizei.«
    Der Mann warf Maja einen überraschten Blick zu, sagte jedoch nichts.
    »Sie haben selbst einen Jungen verloren«, sagte die Frau und zeigte mit der Zigarette auf Maja. »Das stimmt doch, oder?«
    Maja nickte

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