Die Geisel
wir?«, fragte Katrine Maja.
Maja nickte und wollte sich gerade umdrehen, als ihr Blick auf einen Papierkorb fiel, der unter dem Schreibtisch stand. Darin lagen ein paar zusammengeknüllte Zeichnungen. Sie nahm eine heraus und faltete sie auseinander. Es lief ihr kalt den Rücken herunter. Es war ein abstraktes Muster von Strichen, die kreuz und quer durcheinanderliefen. Genau wie bei Sørens Zeichnung. Sie nahm ein weiteres Blatt aus dem Korb und faltete es auseinander. Es sah genauso aus wie das andere.
»Was guckst du da?«, hörte sie hinter sich eine Stimme.
Maja drehte den Kopf und sah Timmies kleine Schwester. »Hat Timmie das hier gemalt?«
Das Mädchen schwieg und schien sich plötzlich zu genieren.
»Weißt du, ob Timmie das hier gemacht hat?«
Das Mädchen drehte sich um und lief wieder zu ihrem Bett. Maja wandte sich an ihre ältere Schwester. »Weißt du, ob Timmie das hier gemalt hat?« Sie hielt das Bild hoch.
Das Mädchen schaute träge von ihrem Spiel auf und nickte. »Ja, der malt immer das Gleiche.«
»Schau mal, das hat Timmie gemacht.« Das kleine Mädchen kehrte mit einer Zeichnung zurück und gab sie Maja. Sie sah genauso aus wie die anderen.
»Die muss man zusammenlegen«, sagte sie und zeigte auf die Falten im Papier.
»Wie?«, fragte Maja.
Das Mädchen faltete das Blatt in der Mitte zusammen. Ihre große Schwester schaute ihr interessiert zu. »Du machst das falsch, du musst die Enden zur Mitte einknicken. Lass mich mal.« Das Mädchen schwang die Beine vom Bett und ging zu Maja hinüber. Sie nahm das Blatt, faltete die Querseiten jeweils zur Mitte der Rückseite hin ein, drehte das so entstandene kleinere Blatt um neunzig Grad und faltete erneut die kürzeren Querseiten, nunmehr aber zur Mitte der Vorderseite. Das Ergebnis war verblüffend. Aus dem Wirrwarr von Strichen war ein Herz entstanden. »Das hat er aus irgendeinem Comic. Der hält sich für so schlau«, fügte das Mädchen spöttisch hinzu. »Das ist wie ein Geheimcode, aber der ist total leicht zu lösen.« Das Mädchen schüttelte den Kopf und gab Maja das Blatt zurück. Sie hob ein weiteres Blatt vom Boden auf und faltete es in derselben Art und Weise. »Timmie« war plötzlich zu lesen. Sie warf es weg und versuchte es mit dem nächsten Muster. »Blöde Mama« stand dort. Maja faltete eine dritte Zeichnung. »Peter Pan« stand dort in schnörkeliger Schrift.
Katrine kam zu ihr. »Hast du was gefunden?«
Maja erhob sich und zeigte ihr das Blatt. Sie senkte die Stimme. »Søren hat Timmie seine eigene Zeichnung übermalen lassen. Ich bin sicher, dass wir eine Botschaft finden, wenn wir sie so falten wie diese Blätter hier.«
Katrine machte große Augen. »Verdammt, die hätten wir mitnehmen sollen.«
Maja nickte. »Komm jetzt.«
Maja riss das Steuer auf dem schmalen Kiesweg herum, so dass eine riesige Staubwolke aufgewirbelt wurde. In voller Fahrt jagten sie denselben Weg zurück, den sie gekommen waren. Katrine betrachtete die Letzte von Timmies Zeichnungen, die sie mitgenommen hatten. »Glaubst du wirklich, dass es so einfach ist?«
»Søren war ein Spieler. Sie sind beide ins selbe Antiquariat gegangen, haben die gleichen Comics gesammelt. Ich bin mir sicher, dass er der Versuchung nicht widerstehen konnte, als Timmie ihm das gezeigt hat.«
Katrine faltete noch einmal die Zeichnung zusammen, bis das Wort »Peter Pan« entstand.
Plötzlich schoss, ungefähr dreißig Meter vor ihnen, ein schwarzer Mondeo aus einem Seitenweg und blockierte die Fahrbahn. Maja trat sofort auf die Bremse. Katrine blickte auf. »Ach, du Scheiße, das ist Tom.«
Im Rückspiegel sah Maja, dass sich ihnen rasch ein Streifenwagen näherte. Sie saßen in der Falle. Sie hielt an. »Was glaubst du, was sie von uns wollen?«
»Ich wette, die hätten gerne ihre Ermittlungsunterlagen zurück. Außerdem wollen die uns bestimmte hübsche Armreife anlegen.«
Durch die Windschutzscheibe sah Maja, wie Tom und Bent Faurholt aus dem Wagen stiegen. Sie drehte sich beunruhigt zu Katrine um. »Aber das dürfen wir nicht zulassen. Wir müssen unbedingt sehen, was es mit Sørens Zeichnung auf sich hat.«
Katrine nickte und atmete tief durch. »Lass mich das machen.« Sie stiegen beide aus dem Wagen.
Tom und Bent hatten vor dem Mercedes Aufstellung genommen. Ihre Augen waren hinter den Sonnenbrillen nicht zu erkennen.
»Was ist los, Tom? Macht der Wagen Probleme?«, fragte Katrine und nickte dem Mondeo zu. »Also früher konnte ich mich immer
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