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Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Katz Krefeld
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war eine abstrakte Tuschzeichnung, die Maja mit ihren vielen Strichen und Klecksen an manche Bilder von Jackson Pollock erinnerte. Auch eines seiner Gedichte war im Anhang aufgeführt. Maja las beunruhigt die erste Strophe. Sie fuhr das Fenster herunter, um etwas frische Luft zu bekommen. Das Gedicht stammte nicht von ihm.
     
    Schiff ahoi, Schiff ahoi, hier kommen wir!
Jetzt beginnt das Piratenspiel.
Und trifft uns eine Kugel so rund,
dann begegnen wir uns auf dem Meeresgrund.
     
    Das Gedicht stammte aus Peter Pan.
    Sie blickte zum Haus empor. Das Vernünftigste wäre es gewesen, unverzüglich die Polizei zu alarmieren. Doch sie zögerte. Deren Ermittlungen fand sie bislang alles andere als beeindruckend. Sie musste zunächst wissen, ob er immer noch hier wohnte, musste ihnen die genauen Informationen zukommen lassen, so dass sie ihn nur noch festnehmen mussten. Ganz gleich wie viel Angst sie hatte - sie musste bloß hineingehen und nachschauen, ob sein Name auf einem der Briefkästen stand.
    Maja stieg aus dem Wagen und hastete auf das Gebäude zu. Auf halbem Wege hörte sie das Geräusch einer sich öffnenden Tür auf dem Laubengang über ihr. Sie blickte rasch nach oben. Ein Mann kam aus der Wohnung Nummer 9. Sie sprang hinter das nächste Fahrzeug und ging in Deckung. Für den Bruchteil einer Sekunde zog sie in Erwägung, zu ihrem Auto zurückzulaufen, während er sich im Treppenhaus befand. Aber das Risiko war zu groß. Sie war gezwungen, in Deckung zu bleiben, bis er an ihr vorbei war. Auf dem Laubengang war es still. Er musste bereits auf der Treppe sein. Sie spürte Panik in sich aufsteigen. In diesem Moment hörte sie, wie die Eingangstür geöffnet wurde. Schritte näherten sich. Ein langer Schatten kroch über den Asphalt, als er auf der anderen Seite des Autos an ihr vorbei schritt. Sie kauerte sich zusammen. Das Geräusch seiner Schritte verhallte. Sie wartete ein wenig, ehe sie vorsichtig den Kopf hob und über den Kofferraumdeckel des Autos hinwegspähte. Der Mann war auf dem Weg zur Ladenzeile. Er war klein und schmächtig mit blondem, engelhaftem Haar, das sich im Wind bewegte. Als sie ihn im Gemischtwarenladen verschwinden sah, lief sie zu ihrem Mercedes zurück und setzte sich hinter das Steuer. Die Briefkästen mussten warten.
    Sie klappte die Sonnenblende herunter und setzte ihre große, dunkle Sonnenbrille auf. Wenn er aus dem Geschäft kam, würde er halb abgewandt an ihr vorübergehen. Hoffentlich konnte sie ihn identifizieren, ohne dass er sie bemerkte. Es vergingen ein paar Minuten, ehe er mit einer Zweiliterflasche Cola aus der Tür trat. Sie ließ sich so tief in den Sitz sinken, bis ihr Bauch gegen das Lenkrad stieß. Er schlenderte gemächlich über den Parkplatz. Als er ihr Auto fast erreicht hatte, strich er die dünnen, blonden Haare nach hinten und offenbarte sein Gesicht. Sie erkannte die Stupsnase. Er war es! Er, der sie überfallen hatte. Er, der sich Pan nannte.
    Er ging dem Eingang entgegen und verschwand im Haus. Erst als sie sich vergewissert hatte, dass er in seine Wohnung zurückgekehrt war, ließ sie den Motor an. Ihre Finger zitterten unkontrollierbar, als sie Katrines Durchwahl eintippte.
     

26
    Als Maja am Konferenzzimmer des Polizeireviers vorbeigeführt wurde, blickte sie verstohlenen durch das lange, schmale Fenster. An der Wand hingen Tafeln mit den Fotos von Pans Opfern, daneben war eine Landkarte zu erkennen, auf der die Fundorte markiert waren. Katrine stand an der vordersten Tafel und sprach zu den Anwesenden. Der Polizeidirektor saß in der ersten Reihe neben einigen grimmig aussehenden Männer in dunklen Anzügen.
    Maja wurde gebeten, im Nebenzimmer Platz zu nehmen. Sie setzte sich auf den Stuhl, der vor den Schreibtisch geschoben worden war. Der Beamte zögerte einen Augenblick, ehe er an die Tür zum Konferenzzimmer klopfte. Im nächsten Moment kamen Katrine und Tom Schæfer ins Büro.
    Katrine setzte sich auf die Schreibtischkante und schaute auf Maja herunter. Sie trug ein schwarzes, kurzärmliges Hemd, das ihre Augen noch dunkler erscheinen ließ.
    Tom blieb an der Tür zum Konferenzzimmer stehen. Das Summen von Stimmen drang durch die offene Tür.
    »Du hast also den Mann gesehen, der dich überfallen hat?«, fragte Katrine mit leiser Stimme. Es war ihr deutlich anzumerken, dass sie keinen Wert auf ungebetene Zuhörer legte.
    »Ja.«
    »Sehr gut, wo war das?«
    »Beim Höllenturm.«
    »Ist er dir zufällig über den Weg gelaufen oder wie?«
    Maja

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