Die Geisha - Memoirs of a Geisha
wie ein Lappen an einem Haken, obwohl sie überhaupt nicht schön war. Während die anderen lachten, ließ er sie keinen Moment aus den Augen, und als sie sich neben ihn kniete, um ihm noch ein paar Tropfen Bier einzuschenken, sah sie mit einem Ausdruck zu ihm empor, der darauf schließen ließ, daß sie einander sehr gut kannten.
Nun war Komako wieder an der Reihe, durchs Guckloch zu sehen. Anschließend kehrten wir zu ihrem Elternhaus zurück und setzten uns in den Badezuber am Rand des Kiefernwaldes. Der Himmel über uns funkelte, bis auf den Teil, wo die Sterne von Ästen verdeckt wurden. Ich hätte ewig so dasitzen und darüber nachdenken können, was ich an diesem Tag erlebt hatte, und über die Veränderungen, die vor mir lagen, aber Komako war im heißen Wasser so müde geworden, daß die Dienerinnen herauskamen, um uns zu holen.
Satsu schnarchte schon, als Komako und ich uns auf die Futons neben ihr betteten: die Körper eng aneinandergeschmiegt, die Arme verschlungen. Ein warmes Glücksgefühl stieg in mir auf, und ich flüsterte Komako zu: »Weißt du, daß ich bei euch bleiben werde?« Ich dachte, die Neuigkeit werde sie so überraschen, daß sie die Augen aufmachen oder sich sogar aufrichten werde. Aber sie wurde nicht munter. Sie stöhnte kurz, und gleich darauf verriet ihr Atem, daß sie fest eingeschlafen war.
3. KAPITEL
Als ich wieder zu Hause war, schien mir meine Mutter an dem einen Tag, den ich fortgewesen war, noch kränker geworden zu sein. Oder hatte ich vielleicht nur erfolgreich verdrängt, wie krank sie wirklich war? In Herrn Tanakas Haus hatte es nach Kiefern und Rauch geduftet, in unserem aber roch es auf eine Art und Weise nach ihrer Krankheit, die zu beschreiben ich nicht über mich bringe. Da Satsu nachmittags im Dorf arbeitete, kam Frau Sugi und half mir, meine Mutter zu baden. Als wir sie aus dem Haus trugen, sah ich, daß ihr Brustkasten breiter als ihre Schultern war, und selbst das Weiße in ihren Augen war trübe. Ich konnte es nur ertragen, sie so zu sehen, indem ich an früher dachte, als sie noch gesund und kräftig war und wir aus dem Bad stiegen und der Dampf von unserer hellen Haut aufstieg wie von frisch gekochtem Rettich. Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, daß diese Frau, deren Rücken ich so oft mit einem Stein gescheuert hatte und deren Körper mir immer fester und glatter vorgekommen war als Satsus, noch vor dem Ende des Sommers tot sein würde.
Als ich in jener Nacht auf meinem Futon lag, suchte ich die ganze verwirrende Situation aus jedem Blickwinkel zu betrachten und mir einzureden, daß alles schon irgendwie in Ordnung kommen werde. Zunächst einmal fragte ich mich, wie wir ohne meine Mutter weiterleben sollten. Und selbst wenn wir überlebten und Herr Tanaka uns adoptierte – würde meine eigene Familie dann aufhören zu existieren? Schließlich entschied ich, daß Herr Tanaka nicht nur meine Schwester und mich adoptieren würde, sondern auch meinen Vater. Schließlich konnte er von meinem Vater nicht erwarten, ganz allein zu leben. Gewöhnlich konnte ich nicht einschlafen, bevor ich mir eingeredet hatte, daß alles so kommen würde, mit dem Resultat, daß ich während jener Wochen überhaupt nicht viel schlief und mich am Morgen wie benebelt fühlte.
An einem dieser Vormittage während der Sommerhitze war ich auf dem Rückweg vom Dorf, wo ich ein Päckchen Tee geholt hatte, als ich hinter mir Schritte knirschen hörte. Wie sich herausstellte, war es Herr Sugi – Herrn Tanakas Assistent –, der den Hügel heraufgehastet kam. Als er mich erreichte, brauchte er ziemlich lange, um wieder zu Atem zu kommen; er keuchte und hielt sich die Seiten, als wäre er den ganzen Weg von Senzuru hergelaufen. Sein Gesicht glänzte wie eine Goldmakrele, obwohl es noch gar nicht richtig heiß geworden war. Schließlich sagte er:
»Herr Tanaka wünscht, daß du und deine Schwester… ins Dorf runterkommt… sobald ihr könnt.«
Ich hatte es seltsam gefunden, daß mein Vater an jenem Morgen nicht zum Fischen hinausgefahren war. Jetzt wußte ich, warum: Heute war der große Tag.
»Und mein Vater?« fragte ich ihn. »Hat Herr Tanaka auch über ihn etwas gesagt?«
»Beeil dich lieber, Chiyo-chan«, sagte er. »Geh und hol deine Schwester!«
Das gefiel mir nicht, aber ich lief zum Haus hinauf, wo mein Vater am Tisch saß und mit dem Fingernagel den Dreck aus einer Holzfurche grub. Satsu legte Holzkohlensplitter in den Herd. Wie es schien, warteten alle beide darauf, daß
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