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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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niemand zuhören wollte, reimte ich mir die Antwort selbst zusammen. Wie ich mir einredete, war Herr Tanaka mit dem, was die Zappelfrau ihm über uns gesagt hatte, nicht zufrieden gewesen, und nun sollte dieser seltsam schmale Herr Bekku uns irgendwo hinbringen, wo uns die Zukunft eingehender vorausgesagt wurde. Später würden wir dann zu Herrn Tanaka zurückgebracht werden.
    Während ich nach Kräften versuchte, mich mit diesen Gedanken zu trösten, führte die Zappelfrau Satsu und mich mit freundlichem Lächeln ein Stück den ungepflasterten Bahnsteig entlang. Als wir so weit von allen entfernt waren, daß keiner uns mehr hören konnte, war ihr Lächeln auf einmal verschwunden, und sie sagte:
    »Jetzt hört mir gut zu. Ihr beide seid sehr ungezogene Mädchen!« Sie sah sich um, um sicherzugehen, daß niemand zusah, und versetzte uns einen kräftigen Schlag auf den Kopf. Das tat nicht weh, aber ich schrie vor Überraschung auf. »Wenn ihr irgend etwas tut, was mich in Verlegenheit bringen könnte«, fuhr sie fort, »werde ich euch dafür bezahlen lassen! Herr Bekku ist ein sehr strenger Mann. Ihr müßt ihm in jeder Hinsicht gehorchen! Wenn er euch befiehlt, unter die Sitzbank im Zug zu kriechen, werdet ihr das sofort tun. Verstanden?«
    Am Gesichtsausdruck der Zappelfrau erkannte ich, daß ich ihr antworten mußte, wenn sie mir nicht weh tun sollte. Aber ich stand unter Schock und brachte keinen Ton heraus. Und genau wie ich befürchtet hatte, hob sie die Hand und kniff mich so fest in den Hals, daß ich nicht mehr sagen konnte, welcher Teil von mir nun so weh tat. Ich hatte das Gefühl, in eine Wanne voller Kreaturen gefallen zu sein, die mich überall am Körper bissen. Ich hörte mich wimmern. Plötzlich stand Herr Tanaka neben uns.
    »Was geht hier vor?« fragte er. »Wenn Sie diesen Mädchen noch etwas zu sagen haben, sagen Sie es in meiner Anwesenheit. Es besteht kein Grund, sie so zu behandeln.«
    »Wir hätten noch sehr viel zu besprechen, aber da kommt der Zug«, sagte die Zappelfrau. Und sie hatte recht: Ich sah, wie er weiter hinten um eine Kurve bog.
    Herr Tanaka führte uns auf den Bahnsteig zurück, wo die Bauern und die alten Frauen schon ihr Gepäck zusammensuchten. Kurz darauf kam der Zug direkt vor uns zum Stillstand. Herr Bekku mit seinem steifen Kimono zwängte sich zwischen Satsu und mich und führte uns an den Ellbogen in den Personenwagen. Ich hörte zwar, daß Herr Tanaka noch etwas sagte, war aber zu erregt und verwirrt, um es zu verstehen. Ich war nicht sicher, was ich gehört hatte. Es konnte sein:
    Mata yo! –»Wir sehen uns wieder!«
    Oder aber:
    Matte yo! –»Wartet!«
    Oder sogar:
    Ma… deyo! –»Na, dann los!«
    Als ich zum Fenster hinausspähte, sah ich, daß Herr Tanaka zu seinem Fuhrwerk zurückkehrte und die Zappelfrau sich energisch die Hände an ihrem Kimono abwischte.
    Nach einer Weile sagte meine Schwester: »Chiyo-chan!«
    Ich barg das Gesicht in meinen Händen und wäre vor Schmerz am liebsten durch den Boden des Waggons gesprungen, wäre das nur möglich gewesen. Denn so, wie meine Schwester meinen Namen aussprach, brauchte sie kaum noch ein weiteres Wort zu sagen.
    »Weißt du, wohin wir fahren?« fragte sie mich.
    Ich glaube, sie wollte nicht mehr als ein Ja oder Nein als Antwort. Vermutlich spielte es für sie keine Rolle, was unser Ziel war, solange nur eine von uns wußte, was vorging. Aber das wußte ich natürlich nicht. Ich fragte den schmalen Mann, Herrn Bekku, aber der schenkte mir keine Beachtung. Er starrte immer noch Satsu an, als hätte er so etwas wie sie noch nie gesehen. Schließlich verzog er sein Gesicht zu einer Fratze des Abscheus und sagte: »Fisch! Ihr stinkt ja fürchterlich, alle beide!«
    Er holte einen Kamm aus seinem Schnürbeutel und begann ihn durch ihre Haare zu zerren. Das hat ihr sicher ganz schön weh getan, aber ich sah auch, daß sie der Blick aus dem Fenster auf die vorüberziehende Landschaft weit heftiger schmerzte. Gleich darauf verzog Satsu die Lippen wie ein Baby und begann zu weinen. Wenn sie mich geschlagen und angeschrien hätte, hätte mich das nicht so geschmerzt, wie mit anzusehen, wie ihr Gesicht bebte. Alles war nur meine Schuld. Eine alte Bauersfrau, die die Zähne bleckte wie ein Hund, kam mit einer Karotte für Satsu herüber, und nachdem sie sie ihr gegeben hatte, erkundigte sie sich, wohin sie fahre.
    »Nach Kyoto«, antwortete Herr Bekku.
    Mir war so elend zumute, als ich das hörte, daß ich Satsu nicht mehr in

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