Die Geisha - Memoirs of a Geisha
Frauen in ihren prächtigen Kleidern nicht weiß, aber ich habe häufig das Gefühl, daß viele von ihnen ohne ihren reichen Ehemann oder Freund Mühe hätten, sich durchzuschlagen, und dann vielleicht auch nicht mehr ganz so stolz auf sich wären. Das gleiche gilt natürlich auch für eine erstklassige Geisha. Es ist schön und gut, wenn eine Geisha von einer Party zur anderen eilt und bei vielen Männern beliebt ist, doch eine Geisha, die ein Star werden will, ist ganz und gar von einem danna abhängig. Selbst Mameha, die aufgrund einer Werbekampagne aus eigener Kraft berühmt wurde, hätte ihren Status wohl bald verloren und wäre wieder eine Geisha unter vielen geworden, wenn der Baron nicht die Kosten für die Förderung ihrer Karriere getragen hätte.
Knapp drei Wochen nachdem ich meinen Kragen gewechselt hatte, kam Mutter zu mir, während ich im Empfangszimmer ein schnelles Mittagessen einnahm, und setzte sich pfeiferauchend mir gegenüber an den Tisch. Ich hatte in einer Zeitschrift gelesen, legte sie aber höflich beiseite, obwohl Mutter anfangs offenbar nicht viel zu mir zu sagen hatte. Nach einer Weile legte sie die Pfeife hin und sagte: »Du solltest dieses gelbe Gemüse nicht essen. Davon kriegst du schlechte Zähne. Sieh nur, was es aus meinen gemacht hat.«
Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, daß Mutter glauben könnte, ihre verfärbten Zähne hätten etwas mit eingelegtem Gemüse zu tun. Nachdem sie mir einen ausgiebigen Blick in ihren Mund vergönnt hatte, griff sie wieder nach ihrer Pfeife und inhalierte.
»Tantchen liebt gelbes Gemüse, Mutter«, sagte ich, »und ihre Zähne sind in Ordnung.«
»Wen kümmert’s, ob Tantchens Zähne in Ordnung sind? Mit ihrem hübschen kleinen Mund verdient sie kein Geld. Sag der Köchin, daß sie dir keins mehr geben soll. Jedenfalls bin ich nicht hergekommen, um mit dir über eingelegtes Gemüse zu sprechen. Ich will dir nur sagen, daß du nächsten Monat um diese Zeit einen danna haben wirst.«
»Einen danna? Aber Mutter, ich bin doch erst achtzehn…«
»Hatsumomo hatte erst mit zwanzig einen danna, und lang gehalten hat es auch nicht. Du solltest dich freuen.«
»Oh, ich freue mich. Aber wird es mich nicht sehr viel Zeit kosten, einen danna glücklich zu machen? Mameha meint, daß ich zunächst meinen Ruf festigen sollte, wenigstens ein paar Jahre lang.«
»Mameha! Was versteht die denn schon vom Geschäft? Wenn ich das nächstemal auf einer Party kichern will, werde ich zu ihr gehen und sie um Rat fragen.«
Heutzutage ist es für junge Mädchen sogar in Japan üblich, einfach vom Tisch aufzuspringen und ihre Mütter anzuschreien, zu meiner Zeit jedoch verneigten wir uns höflich vor ihr, sagten: »Ja, Mutter« und entschuldigten uns dafür, daß wir ihnen Ärger bereitet hatten. Genauso reagierte jetzt auch ich.
»Überlaß die geschäftlichen Entscheidungen nur mir«, fuhr Mutter fort. »Nur eine Närrin würde ein Angebot ausschlagen, wie Nobu Toshikazu es gemacht hat.«
Als ich das hörte, drohte mir das Herz stehenzubleiben. Vermutlich war vorauszusehen, daß sich Nobu mir eines Tages als danna anbieten würde, denn schließlich hatte er vor mehreren Jahren für meine mizuage geboten und seitdem weit öfter um meine Gesellschaft gebeten als jeder andere. Ich kann nicht behaupten, mir wäre diese Möglichkeit nicht auch schon in den Sinn gekommen, aber das soll nicht heißen, daß ich je daran geglaubt hätte, es würde wirklich geschehen. An dem Tag, an dem ich Nobu bei dem Sumo-Turnier kennenlernte, hatte ich in meinem Almanach gelesen: »Ein Gleichgewicht von gut und böse kann die Tür zum Schicksal aufstoßen.« Seitdem hatte ich, so oder so, fast jeden Tag daran gedacht. Gut und böse… also, das waren Mameha und Hatsumomo, es waren meine Adoption und die mizuage, die sie ausgelöst hatte, und es waren natürlich der Direktor und Nobu. Ich will nicht sagen, daß ich Nobu nicht mochte – ganz im Gegenteil. Aber wenn ich seine Geliebte wurde, hätte ich damit den Direktor für immer aus meinem Leben verbannt.
Mutter muß etwas von dem Schock bemerkt haben, den ihre Worte bei mir auslösten, auf jeden Fall war sie über meine Reaktion nicht gerade erfreut. Bevor sie jedoch reagieren konnte, hörten wir im Flur ein Geräusch, das sich anhörte, als unterdrückte jemand ein Husten, und gleich darauf trat Hatsumomo an die offene Tür. Sie hielt eine Schale Reis in der Hand, und das war sehr ungezogen von ihr: Sie hätte damit den Tisch
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