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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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sie schien ins Leere zu starren, während sich vor Anstrengung kleine Fältchen in den Augen- und Mundwinkeln ihres vollkommen ovalen Gesichts zeigten. Dann stieß sie einen schweren Seufzer aus und sah mit einem Blick, den ich für bitter hielt, auf ihre Teetasse hinab.
    Eine Frau, die in einem großen Herrenhaus lebt, mag auf all ihre schönen Besitztümer stolz sein, in dem Moment jedoch, da sie das Knistern eines Feuers vernimmt, muß sie in großer Eile entscheiden, welche davon für sie am wertvollsten sind. In den Tagen nach dem Gespräch mit Mameha war mir tatsächlich zumute, als brenne das Leben rings um mich herum nieder, doch wenn ich versuchte, irgend etwas zu finden, was mir noch wichtig wäre, sobald Nobu mein danna geworden war, muß ich leider gestehen, daß mir nichts einfiel. Eines Abends, als ich im Ichiriki-Teehaus am Tisch kniete und mich bemühte, nicht zu oft an mein großes Elend zu denken, stand mir plötzlich das Bild eines Kindes vor Augen, das sich im weißen, winterlichen Wald verlaufen hat, und als ich aufblickte und all die weißhaarigen Männer sah, denen ich Gesellschaft leistete, wirkten sie auf mich so sehr wie schneebedeckte Bäume, daß ich mich einen schrecklichen Moment lang fragte, ob ich vielleicht das letzte lebende Wesen auf der Welt sei.
    Die einzigen Partys, auf denen ich mir noch einreden konnte, mein Leben habe vielleicht noch ein bißchen Sinn, und sei es auch noch so wenig, waren jene, zu denen Soldaten kamen. Schon im Jahre 1938 hatten wir uns alle an die täglichen Heeresberichte über den Krieg in der Mandschurei gewöhnt und wurden täglich durch Dinge wie das Mittagsmahl der Aufgehenden Sonne – eine eingelegte Pflaume in der Mitte einer Schachtel voll Reis, so daß es aussah wie eine japanische Flagge – an unsere Truppen in Übersee erinnert. Seit mehreren Generationen schon kamen Offiziere des Heeres und der Marine nach Gion, um sich zu entspannen. Nun aber begannen sie uns nach ihrer siebten oder achten Tasse Sake tränenden Auges zu erzählen, daß nichts ihre Moral so stärken könne wie ein Besuch in Gion. Vermutlich sagen Offiziere allen Frauen, mit denen sie sich unterhalten, etwas Ähnliches. Doch die Vorstellung, daß ich – die ich doch nichts weiter war als ein kleines Mädchen von der Küste – tatsächlich einen wichtigen Beitrag zum Wohle der Nation leisten könnte… Ich will nicht vorgeben, daß diese Partys meine Qualen linderten, aber sie halfen mir, nicht zu vergessen, wie egoistisch mein Kummer im Grunde war.
    Einige Wochen vergingen. Dann erklärte mir Mameha eines Abends in einem Flur des Ichiriki, die Zeit sei gekommen, ihren Wettgewinn bei Mutter einzufordern. Sicherlich erinnern Sie sich, daß die beiden miteinander gewettet hatten, ob meine Schulden zurückgezahlt werden könnten, bis ich zwanzig war. Inzwischen stand fest, daß sie zurückgezahlt worden waren, und das, obwohl ich erst achtzehn war. »Nun, da du deinen Kragen gewechselt hast«, sagte Mameha zu mir, »sehe ich keinen Grund mehr, noch länger zu warten.«
    Das sagte sie, aber die Wahrheit war wohl komplizierter. Mameha wußte, daß Mutter es haßte, Schulden zu begleichen, und je größer die Summe war, desto größer war ihr Unwillen. Sobald ich mir einen danna genommen hatte, würden meine Einnahmen beträchtlich steigen, und Mutter würde dann noch hartnäckiger um ihr Einkommen kämpfen. Ich bin überzeugt, daß Mameha es für das Beste hielt, das, was ihr zustand, möglichst bald zu kassieren und sich den Kopf über zukünftige Einnahmen später zu zerbrechen.
    Einige Tage später wurde ich ins Empfangszimmer unserer Okiya hinuntergerufen, wo Mameha und Mutter sich am Tisch gegenübersaßen und über das Sommerwetter plauderten. Neben Mameha saß eine grauhaarige Frau namens Frau Okada, der ich schon mehrmals begegnet war. Sie war die Herrin der Okiya, in der Mameha früher gelebt hatte, und kümmerte sich gegen einen Anteil am Einkommen um Mamehas Kontoführung. So ernst wie heute hatte ich sie noch nie erlebt. Sie starrte auf den Tisch hinab, ohne das geringste Interesse an dem Gespräch erkennen zu lassen.
    »Da bist du ja«, sagte Mutter zu mir. »Deine ältere Schwester stattet uns freundlicherweise einen Besuch ab und hat auch Frau Okada mitgebracht. Du bist ihnen wenigstens die Höflichkeit deiner Anwesenheit schuldig.«
    Jetzt sagte Frau Okada, ohne den Blick von der Tischplatte zu heben: »Frau Nitta, wie Mameha vielleicht am Telefon erwähnt hat, ist

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