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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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Oberkörper, so daß mein Fächer bis auf den Boden reichte, einen Arm seitlich ausgestreckt –, wurde die Tür aufgeschoben, und der Direktor trat ein. Wir begrüßten ihn und warteten, bis er seinen Platz am Tisch einnahm. Ich freute mich, daß er gekommen war, denn er hatte mich zwar auf der Bühne erlebt, mir aber noch nie in einem so intimen Rahmen wie diesem zugesehen. Anfangs wollte ich ein kurzes Stück tanzen, das »Schimmernde Herbstblätter« hieß, nun jedoch änderte ich meine Absicht und bat Mameha, »Grausamer Regen« zu spielen. »Grausamer Regen« erzählt von einer jungen Frau, die zutiefst bewegt ist, als ihr Geliebter sich die Kimono-Jacke auszieht, um sie während eines Gewitters zu wärmen, denn sie weiß, daß er ein verzauberter Geist ist, dessen Körper dahinschmelzen wird, sobald er naß wird. Meine Lehrerinnen hatten mir oft zu der Art gratuliert, wie ich die Trauer der jungen Frau darstellte. Während des Teils, da ich langsam in die Knie sinken mußte, zitterten meine Beine – im Gegensatz zu den Beinen anderer Tänzerinnen – so gut wie gar nicht. Vermutlich habe ich es schon erwähnt, doch bei den Tänzen der Inoue-Schule ist der Gesichtsausdruck genauso wichtig wie die Bewegung der Arme und Beine. Deswegen mußte ich, obwohl ich nur allzugern verstohlen zum Direktor hinübergesehen hätte, beim Tanzen den Blick stets in die vorgeschriebene Richtung lenken, so daß mir kein flüchtiger Seitenblick möglich war. Um meinem Tanz möglichst viel Gefühl zu verleihen, konzentrierte ich mich statt dessen auf das Traurigste, was ich mir ausdenken konnte, und das war der Gedanke, daß mein danna hier bei mir im Zimmer war – nicht der Direktor, sondern Nobu. In dem Moment, da ich diesem Gedanken Form verlieh, schien alles um mich herum schwer zum Boden herabzuhängen. Draußen im Garten tropfte der Regen von den Dachbalken wie Perlen aus schwerem Glas. Sogar die Matten selbst schienen schwer auf dem Fußboden zu lasten. Ich erinnere mich noch, daß ich bewußt nicht den Schmerz einer jungen Frau tanzte, die ihren Geliebten aus der Geisterwelt verloren hat, sondern den Schmerz, den ich selbst empfinden würde, wenn mir das Leben plötzlich das raubte, dem meine tiefsten Gefühle galten. Auch an Satsu mußte ich plötzlich denken und tanzte die Bitterkeit unserer ewigen Trennung. Am Ende fühlte ich mich vom Schmerz fast überwältigt, aber auf das, was ich sah, als ich mich zum Direktor umwandte, war ich nicht vorbereitet.
    Da er dicht an der Tischecke saß, konnte nur ich ihn sehen. Anfangs dachte ich, sein Ausdruck sei erstaunt, weil seine Augen so groß waren. Aber genau wie sein Mund zuweilen zuckte, wenn er ein Lächeln zu unterdrücken suchte, bebte er, wie ich nun erkannte, unter dem Einfluß eines anderen Gefühls. Ich war nicht ganz sicher, aber ich hatte den Eindruck, seine Augen seien voller Tränen. Er blickte zur Tür, tat so, als kratzte er sich an der Nase, damit er sich mit dem Finger ganz kurz den Augenwinkel auswischen konnte, und glättete seine Augenbrauen, als wären sie die Quelle seines Unbehagens. Ich war so erschrocken über den Schmerz des Direktors, daß ich vorübergehend fast die Orientierung verlor. Unsicher kehrte ich an den Tisch zurück, wo Mameha und Nobu ein Gespräch begannen. Nach einer Weile wurden sie vom Direktor unterbrochen.
    »Wo ist Kürbisköpfchen heute abend?«
    »Oh, die ist krank, Direktor«, antwortete Mameha.
    »Was soll das heißen? Wird sie denn gar nicht kommen?«
    »Nein«, sagte Mameha, »und das ist auch gut so, denn sie hat eine Magen-Darm-Grippe.«
    Dann sprach Mameha weiter. Ich sah, wie der Direktor auf seine Armbanduhr sah und dann mit unsicherer Stimme sagte:
    »Mameha, du wirst mich entschuldigen müssen. Ich fühle mich auch nicht besonders wohl heute abend.«
    Als der Direktor die Tür zuschob, sagte Nobu etwas so Komisches, daß alle lachten. Mir aber kam ein Gedanke, der mich ängstigte. Bei meinem Tanz hatte ich versucht, den Schmerz des Verlustes auszudrücken. Mich selbst hatte ich dadurch tief aufgewühlt, aber den Direktor offensichtlich auch – war es möglich, daß er dabei an Kürbisköpfchen dachte, weil er sie vermißte? Ich konnte mir nicht vorstellen, daß er über Kürbisköpfchens Krankheit Tränen vergoß, aber vielleicht hatte ich ein paar dunklere, kompliziertere Emotionen geweckt. Ich wußte nur, daß der Direktor sich nach meinem Tanz nach Kürbisköpfchen erkundigt und das Haus verlassen hatte, als er

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